Selbst seine Verletzungspause hat ihn nicht aus der Spur gebracht: Franco Di Santo ist und bleibt in dieser Saison der Bremer Erfolgsgarant. Sein Erfolgsversprechen hat er ausgeweitet.
Franco Di Santo hat ein neues Ziel. „15“, sagt er und grinst. 15 Tore will er in dieser Saison jetzt machen, nachdem er sein ursprüngliches Saisonpensum von zehn Treffern bereits erfüllt hat. Bei dem Argentinier läuft es gut, sehr gut sogar in dieser Saison, und die Winterpause hat dem keinen Abbruch getan. Vier Tore bei vier Einsätzen sprechen für sich – besser waren in der Rückrunde nur die Wolfsburger Bas Dost (9) und Kevin De Bruyne (5) sowie Bayerns Arjen Robben (6).
Es läuft schon wieder sehr gut für den Argentinier, obwohl seine lange Verletzungspause erst nach dem Wintertrainingslager in Belek endete. Di Santo nimmt es, wie es kommt, aber immer mit Humor. Als es vor einem Jahr längst noch nicht so klappte, wie es Medien und Fans erwartet hatten, lachte der 25-Jährige die Kritik weg und bat um Geduld. In dieser Saison meckert niemand mehr – und Di Santo hat noch mehr Grund zu lachen.
Zum Beispiel dann, wenn er von seinen neuen Zielen spricht. Oder dem nächsten Gegner. Mit dem VfL Wolfsburg im Allgemein und voraussichtlich mit Naldo im Besonderen muss sich der Stürmer auseinandersetzen, und das eine wie das andere ist kein Zuckerschlecken. Naldo, ja, der habe viel Erfahrung, ein großartiger Spieler, findet Di Santo mit ernstem Blick: Was soll er da bloß machen? Da hellt sich seine Miene auf, er grinst und kichert und gibt die Antwort: „Ich muss vor ihm weglaufen.“
Ein Gegenentwurf
Ist ja schließlich auch eine seine Stärken. Di Santo ist viel unterwegs auf dem Feld. „Franco ist beweglich und hat eine gewisse Schnelligkeit, die er einsetzen kann“, urteilt sein Teamkollege Jannik Vestergaard. Damit ist Werders Neuner ein Gegenentwurf zu Wolfsburgs Neuner Bas Dost. Der interpretiert die Rolle des Mittelstürmers als die eines Neuner im klassischen Sinn, als Strafraumstürmer.
Von ihrer Statur her mögen sich die beiden groß gewachsenen Angreifer durchaus ähneln – mehr aber auch nicht. Und einen wesentlichen Unterschied zu Dost hat Di Santo darüber hinaus ausgemacht: „Er hat ein Tor mehr geschossen als ich...“ Zehn zu elf steht es zurzeit zwischen den beiden im gesamten Saisonverlauf – aber Di Santo will ja noch fünf Treffer nachliefern.
Vielleicht schon gegen Wolfsburg. Einen Sieg gegen den Tabellenzweiten findet Di Santo gar nicht so abwegig: „Wir haben es gegen Dortmund getan, wir haben es gegen Leverkusen getan – warum nicht auch gegen Wolfsburg?“
Bas Dost setzt neue Maßstäbe
Wolfsburg. Das Kleinlaute und Nörgelige ist verschwunden. Wenn Bas Dost darüber referiert, wie er sich innerhalb weniger Wochen vom frustrierten Reservisten zum umjubelten Torjäger entwickeln konnte, schlägt er ziemlich mutige Töne an. „Ich wusste immer, dass ich das kann“, sagt jener Stürmer des VfL Wolfsburg, dessen Trefferquote neue Maßstäbe setzt. Neun Tore in den ersten fünf Spielen einer Rückrunde: Das hat in der Bundesliga bisher kein Profi geschafft. Dost bereichert den bezahlten Fußball um die Erkenntnis: Wer eben noch Bälle in Serie verstolpert hat oder gar nicht mitspielen durfte, sollte besser nicht voreilig belächelt werden. Ihm könnte nämlich nur kurze Zeit später das Spielgerät so gut gehorchen, dass es eine wahre Freude ist.
Zu all den Erklärungsversuchen, die Dost in diesen Tagen begleiten, gehört in jedem Fall der Hinweis auf ein völlig legales Dopingmittel: Glück. „Ich spiele jetzt regelmäßig. Darauf habe ich lange gewartet und gelauert. Jetzt bin ich einfach glücklich. Und dann zeigt sich, was ich kann“, findet der 25-Jährige. Aus einem Missverständnis, das der VfL Wolfsburg schon im Sommer 2012 eingekauft hat, ist ein verstandener Leistungsträger geworden.
Naldos Erkenntnis
Die Mehrheit der Laufwege von Dost ist von ein wenig Faulheit, aber auch von feinem Spürsinn geprägt. Seine Kollegen haben endlich erkannt, wie dieser Mann bedient werden muss. „Das ganze Team hat verstanden, wie sich Bas im Strafraum bewegt“, gesteht Innenverteidiger Naldo. Er gehörte zu den Mitspielern, die Dost immer wieder Mut zugesprochen und ihn in düsteren Zeiten aufgemuntert haben. Inzwischen muss Naldo ihm vermehrt hinterherrennen, weil Dost ständig das Tor trifft und dann vor seinen teaminternen Gratulanten wegläuft.
Glück, Selbstvertrauen und intelligente Mitspieler: In Wolfsburg ist eine Mixtur entstanden, die Dost aufblühen lässt. Er profitiert davon, dass mit Kevin de Bruyne einer der besten Torvorbereiter der gesamten Branche zu seinem vollen Leistungsvermögen gefunden hat. Dass seit dem Ende der Winterpause mit Weltmeister Andre Schürrle ein weiterer Hochkaräter in Wolfsburg spielt und mit Ivica Olic (zum Hamburger SV) ein direkter Stammplatzrivale verloren gegangen ist, rundet die deutlich verbesserten Rahmenbedingungen fest.
Was aber fast noch wichtiger ist: Dost spürt das bedingungslose Vertrauen seines Chefs. VfL-Coach Dieter Hecking war nicht immer gut darauf zu sprechen, dass sich der Bewegungsdrang des Holländers in Grenzen hält. Aber er hat eben auch erkannt, dass es sich lohnt, bei so manchem verstolperten Ball oder einer umständlichen Aktion ein Auge zuzudrücken. Dost ist ein sehr geradliniger und selbstkritischer Typ. Man muss ihn nicht in Watte packen. Aber er will wissen, ob auf ihn gezählt wird. Ist das der Fall, zahlt er in Toren zurück.