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So reagieren Baumann und Kohfeldt Die Werder-Diagnose lautet: Kopfproblem!

Diesmal war es nicht Pech oder der Schiedsrichter, gegen Schalke war man auch nicht gefühlt besser. Vor Werders Mitgliederversammlung geben sich Trainer und Manager deshalb kritisch, aber konstruktiv.
25.11.2019, 10:20 Uhr
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Von Jean-Julien Beer

Frank Baumann ist kein Uli Hoeneß, der seinen Spielern nach sehr schlechten Leistungen mit hochrotem Kopf die Leviten las und vor den Reportern und Kameras keifte, man werde den Herren Profis „keinen Puderzucker mehr in den Hintern“ blasen. Baumann ist auch kein Reiner Calmund, der sich nie scheute, besonders schlechte Einzelleistungen öffentlich zu kritisieren, und das bei Bedarf auch derbe: „Wir mussten dem Dämel einen Kompass geben, damit er wenigstens noch in die Kabine findet!“ Wer bei Werder eine solche Deutlichkeit erwartet nach immerhin schon acht nicht gewonnenen Bundesligaspielen und der zweiten Niederlage in Folge, der wird von Baumann enttäuscht. Werders Sportchef interpretiert seine Rolle wie früher auf dem Feld: präzise, verlässlich, aber dennoch deutlich.

Nach der höchst verdienten 1:2-Niederlage der Bremer Mannschaft gegen Schalke wählt Baumann Florett statt Holzhammer, doch auch das kann wehtun. Die ersten 60 Minuten lang habe er „keine gute Leistung gesehen“, und wenn man sich die beiden Schalker Tore genauer ansehe, dann könne man erkennen, „woran es unterm Strich dann auch gelegen hat, zumindest lange Zeit: Wie Sebastian Langkamp als Ballführender attackiert wurde, mit welchem Tempo, und wie wir dann einfach passiv waren in vielen Situationen, das war ein Stück weit bezeichnend. Auch, dass wir Schalke dann noch zum Abschluss kommen lassen. Das ist dann eben der Unterschied, da müssen wir einfach noch galliger werden in den Zweikämpfen und das noch besser annehmen“. Wenn sich die Spieler jedoch „nicht zeigen, wenn wir nicht anspielbar sind, wenn wir in der Defensive nachlässig und passiv sind und uns in den Zweikämpfen nicht trauen, dann erschweren wir uns alles“.

„Das Mentale spielt eine Rolle“

Das ist nichts anderes als eine noch freundlich formulierte Grundsatzkritik. Und die ist berechtigt, weil anders als in vielen knappen Spielen zuvor diesmal lange nichts von dem zu erkennen war, was Werder gewöhnlich ausmacht. Balleroberungen, schnelles Umschaltspiel, leidenschaftlicher Fußball, mutige Aktionen, Überraschungsmomente: alles nicht mehr zu sehen. Dafür mal wieder „Gegentore aus dem Nichts“, wie Baumann anmerkt, „das ist ja ein Stück weit Gewohnheit geworden“.

In seinem ersten Fazit nach diesem verstörenden Werder-Auftritt stellt Baumann eine beunruhigende Diagnose: Werder hat nach all den Krisen-Wochen nun auch noch ein Kopfproblem. „In diesen 60 Minuten hat man gesehen, dass Fußball insgesamt auch eine Kopfsache ist. Das Mentale spielt da schon eine Rolle“, erklärt der Manager, „wir hatten nicht die nötige Überzeugung und nicht diesen Mut in unseren Aktionen. Damit meine ich gar nicht so sehr das Spiel mit Ball, Mut brauchst du auch bei der Arbeit gegen den Ball, im Defensivverhalten, wie man eben nachschiebt. Wie man in die Zweikämpfe geht, wie mutig man dabei ist. Da waren wir ein bisschen passiv, ohne dass Schalke uns ausgespielt hätte. Das ist aber etwas, das uns ausgezeichnet hatte und das wir nicht verlieren dürfen.“

Rückspiegel statt mutige Aktionen

Gegen Schalke war es weg. Erstmals in dieser Saison und nur für 60 Minuten, danach wehrte sich die Mannschaft wieder nach Kräften, die jedoch überschaubar wirkten. Da führte der Gegner schon mit 2:0 und ließ sich nicht mehr beeindrucken. Auch Florian Kohfeldt weiß um das Kopfproblem seiner Spieler: „Es ist natürlich nicht hilfreich, wenn man sieben Spieltage nicht gewonnen hatte. Wir müssen konstatieren, dass wir nicht diesen Mut auf den Platz gebracht haben in den ersten 60 Minuten, daran werden wir arbeiten müssen, das ist nun die Aufgabe für die nächsten Wochen.“ Gegen Schalke sei zwar vor dem eigenen Tor lange erfreulich wenig passiert, „aber wir wollten schon mehr Balleroberungen haben“, sagt der Trainer, „ich hatte das Gefühl, dass wir zu oft den Blick in den Rückspiegel geworfen haben, ob hinter uns noch einer ist. Und wir haben diesen letzten Punch nicht geschafft, ins Pressing zu gehen. So war es ein taktisch geprägtes Spiel, mit zu wenig Leben auf dem Platz. Das war nicht das, was wir wollten“.

Doch wie kann man ein Kopfproblem lösen? Baumann empfiehlt „viel arbeiten und viel analysieren“, zudem müsse sich jeder einzelne Spieler erinnern, „dass wir es schon deutlich besser hinbekommen haben. Wir brauchen also nicht grundsätzlich zu zweifeln. Aber wir müssen uns das Selbstvertrauen auch durch Taten auf dem Feld zurückholen“. In vielen schwierigen Situationen der vergangenen Wochen habe die Mannschaft es besser gemacht. Baumann: „Ich muss mit den Spielern besprechen, woran es lag. Ob sie das überhaupt auch so empfunden haben. Es ist nichts Ungewöhnliches, ich war lange genug selbst Spieler und habe auch solche Phasen und solche Spiele erlebt. Da kann sich keiner freisprechen, wenn man ein paar Jahre auf dem Niveau gespielt hat.“

Eine Warnung von Kohfeldt

Nur: So laufen lassen kann man es auch nicht. Das würde ins Verderben führen. Man werde die Kommunikation zwar natürlich nicht einstellen, betont Kohfeldt, aber Handeln sei nun wichtiger, „und das auf allen Ebenen. Wir müssen besprechen, was die Jungs in den ersten 60 Minuten auf dem Platz gehemmt hat. Dann werden wir dementsprechend handeln. Wir werden darüber aber nicht nur mit den Jungs reden, sondern auch im Trainerteam und mit der Analyseabteilung.“ Ob Werder denn überhaupt die Typen im Kader habe, die sich in so einer prekären Lage mit Haut und Haaren wehren können? Kohfeldt antwortet darauf ohne jedes Zögern und spricht indirekt eine Warnung aus: „Das hoffe ich. Mit Sicherheit wird es in den nächsten Wochen von der Personalauswahl her ein Thema sein, wer das auf den Platz bringt. Das ist ja überhaupt keine Frage.“

Deutlich länger zögert Baumann bei der Frage, was ihm eigentlich Mut mache für den Rest der Hinrunde. „Was soll ich dazu sagen?“, fragt er schließlich zurück, „soll ich die einzelnen Spieler und ihre Qualitäten aufzählen? Soll ich sagen, dass wir schon gute Spiele gezeigt haben? Was wollen Sie hören? Ich bin zuversichtlich, dass wir bis zum Winter noch ausreichend Punkte holen und unsere Situation deutlich verbessern.“ Wie viele Punkte? „Möglichst alle!“

Kritik bei der Mitgliederversammlung?

Damit ist Baumann auf Betriebstemperatur für Werders Mitgliederversammlung an diesem Montag. Abstiegskampf statt kühne Europacup-Träume, diese bittere Realität dürfte kritische Töne und Nachfragen mit sich bringen. „Ich weiß nicht, was dort auf uns zukommt“, sagt Baumann, „wir sind aber ein Klub, der den Dialog lebt und die Kritik zulässt.“ Werders Manager gibt vorab schon mal diesen klaren Hinweis: „Wir kennen die Situation aus den vergangenen Jahren. Und da wären wir in zwei von drei Jahren froh gewesen, wenn wir zu diesem Zeitpunkt elf Punkte gehabt hätten.“ Auch da habe man bei Werder versucht, es sachlich anzugehen und „an den Dingen zu arbeiten, die wir beeinflussen können“. Er werde auch jetzt, betont Baumann, „keine Parolen raushauen. Wir sind immer über den Zusammenhalt gekommen. Das betrifft das Team, das Team um das Team, den Verein und die Fans. Du musst noch enger zusammenrücken und darfst dich nicht auseinander dividieren lassen. Das ist extrem wichtig in so einer Phase.“ Ein Selbstläufer sei das aber ausdrücklich nicht, weiß Baumann: „Denn man sucht in so einer Phase eher mal die Schuld beim anderen oder lässt irgendwas von außen zu oder macht sich irgendwie angreifbar. Wir haben bei Werder immer von dieser Geschlossenheit gelebt. So haben wir uns aus den wirklich schwierigen Situationen immer befreit. Und das werden wir auch dieses Jahr wieder so angehen.“

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