Es sollte den Verantwortlichen beim SV Werder zu denken geben, dass sie nun schon im zweiten Jahr auf Stürmer angesprochen werden, die nicht mehr zum Kader gehören – die allem Anschein nach aber besser weiterhin zum Bremer Aufgebot gehören würden. Im Abstiegskampf der vergangenen Saison ging es immer wieder um Max Kruse, auf dessen Vorstellungen sich Werder nicht mehr einlassen wollte; vergleicht man die Topleistungen des ehemaligen Werder-Kapitäns in der laufenden Saison im Trikot von Union Berlin, könnte man über sein Fehlen immer noch diskutieren.
Doch die Personalie Kruse wurde abgelöst von Johannes Eggestein, der bei Werders Profis nicht mehr berücksichtigt wurde und sich nach Linz ausleihen ließ, wo er nun zuverlässig das macht, was er schon in Werders Jugend auf vielversprechende Art leistete: Er schießt Tore, ob in der Liga, im Pokal oder im Europapokal; und nicht nur klassisch als Mittelstürmer im Strafraum (in der Box also, wie die Trainer das heute nennen), sondern auch als Abschlussspieler nach schnellen Kontern. Und, auch das müssen sie bei Werder ertragen: Der junge Eggestein schießt diese Tore nicht nur gegen kleinere österreichische Klubs, sondern auch gegen Champions-League-Teilnehmer wie zuletzt RB Salzburg oder in der Europa League gegen Antwerpen und Tottenham, also auf einem Niveau, auf dem Werder schon seit Jahren nicht mehr mitspielt. Die Bilanz des 22-jährigen Stürmers in der österreichischen Liga kann sich ebenfalls sehen lassen: In sieben Spielen gelangen ihm sechs Tore und zwei Vorlagen.
Damals gab es Füllkrug, Selke, Rashica...
Es verwundert angesichts der oft schwachen Bremer Torausbeute nicht, dass viele Fans hinterfragen, warum Werder diesen Spieler verliehen hat, statt ihn selbst zu fördern. Auch der langjährige Werder-Profi Oliver Reck äußerte sich zuletzt in dieser Richtung. Nach einem erneuten Eggestein-Treffer für Linz sprach nun Florian Kohfeldt darüber, der den Spieler schon aus den Bremer Jugendmannschaften kennt. „Ich schätze ihn grundsätzlich sehr und bin der Meinung, dass er gerade in der Box und um die Box herum ein sehr großes Potenzial hat durch seine Laufwege und sein Abschlussverhalten. Das gibt es nicht so häufig“, erklärte Werders Cheftrainer, „dennoch hatten wir hier alle das Gefühl in den Gesprächen, inklusive Jojo, dass er jetzt einen Rhythmus bekommen muss, wo er weiß, dass er jede Woche 90 Minuten spielt. Das konnten wir ihm nicht zusichern – in einer Kadersituation bei uns zum Zeitpunkt dieser Entscheidung, wo wir einen Niclas Füllkrug, Milot Rashica und Davie Selke für den Sturm hatten.“ Dass diese Stürmer nun alle verletzt fehlen, und das sogar länger, „hätte natürlich dazu geführt, dass Jojo jetzt auch ein Kandidat für Startelfeinsätze bei uns gewesen wäre“, räumte Kohfeldt ein. Doch jetzt ist dieser Eggestein weg, sein Leihvertrag mit dem Linzer ASK läuft bis Saisonende.
Kohfeldt betonte aber, „dass wir noch etwas von Jojo haben wollen und bei ihm die Entwicklung im Blick haben“. Nach Monaten ohne Spielpraxis sei es entscheidend gewesen, dass Eggestein seinen Rhythmus findet. „Wenn er den hat, überrascht es mich nicht, dass er diese Tore schießt“, sagte Kohfeldt, bemühte sich aber um eine Relativierung: „Es ist richtig, dass er die Tore dort auch auf internationalem Niveau geschossen hat, dennoch möchte ich darauf hinweisen, dass ich das Niveau der österreichischen Bundesliga – bei allem Respekt – nicht vergleichbar finde mit der deutschen Bundesliga. Das hat Einfluss auf die Spieler, ob man sich Woche für Woche so hart durchsetzen muss wie hier, oder ob man dort auch mal mit seiner Qualität über dem ein oder anderen steht.“