Als Werders Trainer Ole Werner beim Debakel in Köln zur Halbzeit zwei Spieler auswechselte, standen zwei Dinge bereits fest: Werder würde das Spiel nicht mehr gewinnen, und in der zweiten Hälfte würde es nicht besser werden.
Ersteres lag einfach am Ergebnis, weil es beim Pausenpfiff schon 5:1 für den abstiegsgefährdeten 1. FC Köln stand. Aber dass es durch die Auswechslungen auch nicht besser werden würde, das lag und liegt an der Unwucht im Bremer Kader und an den Spielern auf der Bank, die in den meisten Fällen keine gleichwertige Alternative sind und in keinem Fall eine Verbesserung der ersten Elf darstellen.

Grün auf weiß ist die Werder-Kolumne des WESER-KURIER, in der Chefreporter Jean-Julien Beer einen Blick hinter die Kulissen des Bundesligisten wirft, Zusammenhänge erklärt und die Entwicklungen im Verein einordnet.
In Köln nahm Werner den Stürmer Marvin Ducksch und den Mittelfeldkämpfer Christian Groß vom Feld, beides unumstrittene Stammkräfte, und brachte dafür Eren Dinkci und Niklas Schmidt. Die beiden jüngeren Werder-Profis sind anständige Kerle, aber sie sind keine Spieler, die in der Bundesliga bei einer drohenden Niederlage das Geschehen auf dem Feld verändern. Dass sie bei anderen Bundesligaklubs zum engeren Stammpersonal zählen würden, ist fraglich. Später brachte der Bremer Trainer noch Amos Pieper, Jens Stage und Lee Buchanan, ohne größere Wirkung.
Interessant ist, wen der Trainer nicht brachte: Oliver Burke. Der Sommer-Neuzugang war trotz seiner zwei Tore zum Saisonstart früh in den Verdacht geraten, keine taugliche Verstärkung zu sein, weil er taktisch nicht mithalten kann und fußballerisch sehr limitiert ist. Als das auch in dieser Kolumne schon einmal thematisiert wurde, haben ihn viele Fans noch in Schutz genommen, dankbar für seine sehenswerten und emotionalen Tore gegen Stuttgart und in Dortmund. Doch seither kam nicht mehr viel, wie bei seinen vorherigen zehn Stationen, bei denen sich der 25-Jährige in den vergangenen acht Jahren nicht durchsetzen konnte. Im Winter-Trainingslager in Spanien machte nun auch Werner deutlich, welche Welten noch zwischen Burke und einem guten Bundesligastürmer liegen. Er muss sich schnell anpassen und noch schneller lernen, wenn er bei Werder noch einmal Wirkung entfalten will.
Das aktuelle Problem ist jedoch: Es gibt auch keinen besseren Konkurrenten als Burke im Kader, wenn Ducksch mal so schwächelt wie nun in der ersten Halbzeit in Köln. Werner verfügt als Trainer über eine gesunde Auffassungsgabe, das bewies er gleich in seinen ersten Tagen in Bremen: Damals, in turbulenten Zweitligazeiten, legte sich der neue Trainer sehr schnell auf eine ziemlich klare Stammformation fest, die er nur noch in Nuancen veränderte. Jeder spielt da, wo er am besten ist – oder gar nicht. Der Erfolg und der Aufstieg gaben ihm recht.
In der Bundesliga setzt Werner nun ebenfalls auf einen klaren Stamm, weil diese Spieler einfach besser sind als ihre Konkurrenten im Kader – mit Ausnahme des Torhüters, wo Michael Zetterer eine gleichwertige Alternative zu Jiri Pavlenka ist. Die feste Bremer Stammformation war oft erfolgreich, sie holte 21 Punkte in 16 Spielen, für einen Aufsteiger ist das mehr als ordentlich. Die Sache führte aber zeitgleich zu zwei problematischen Nebeneffekten: Werder ist für die Gegner leicht ausrechenbar, weil jeder weiß, welche Bremer Formation auf dem Feld stehen wird. Und die sogenannte „zweite Reihe“, also die Spieler auf der Bank, haben inzwischen den Anschluss verloren. Sie waren nie weiter weg von der ersten Elf als heute, das gilt auch für Felix Agu, wenn er im Februar vielleicht wieder fit ist. Von der Stammformation fehlt derzeit nur Romano Schmid (Innenbandanriss).
Personell wird Werner trotz des Debakels also nicht viel tun können. Und er hat recht, dass sich viele Konkurrenten in der unteren Tabellenhälfte personell viel breiter aufgestellt haben, weil diese Klubs dafür die finanziellen Mittel haben. Im Prinzip kann Werner nur hoffen, dass Jens Stage möglichst schnell zeigt, warum seine Ablöse im Sommer stolze vier Millionen Euro des Bremer Transferbudgets verschlungen hat.
Es gab schon Bundesligatrainer, die nach großer Unruhe im Umfeld extra mal die zweite Reihe spielen ließen und dann nach der nur logischen Niederlage den Fans und Medien erklärten: Ihr habt die anderen Spieler gefordert, jetzt habt ihr sie gesehen – und das negative Ergebnis gleich mit! So etwas würde Werner nie machen, er kalkuliert nüchtern wie ein Schachspieler seine nächsten Züge und macht eher das Erwartbare: Er bringt zum Wohle seines Vereins die besten Spieler seines Kaders, und das sind aktuell eben in etwa die, deren Leistung beim 1:7 in Köln nicht reichte. In Nuancen kann man diese Formation verändern, etwa durch Pieper für Stark in der Abwehr, aber dadurch wird Werder weder besser noch schlechter. Werders größtes Problem im Abstiegskampf sitzt auf der Bank – und es ist nicht der Trainer. Mit diesem Kader wird der Klassenerhalt für Werder keine Frage der Aufstellung, sondern eher der Einstellung.