Man muss mit der TSG Hoffenheim und dem VfL Wolfsburg beginnen, um die wirtschaftlichen Herausforderungen des SV Werder zu verstehen: Für die Gehälter der Bundesliga-Mannschaft werden in Hoffenheim pro Saison rund 90 Millionen Euro ausgegeben, in Wolfsburg sind es sogar 120 Millionen. In Bremen zahlte Werder in der Saison 2023/24 nur 40 Millionen Euro für die Gehälter der Spieler. Das grenzt an Wettbewerbsverzerrung, ist aber die Realität im deutschen Profifußball. Werder ist wirtschaftlich nur noch eine graue Maus – und die Spitzenklubs der Liga, wie Bayern München und Borussia Dortmund, zahlen für ihr Personal noch sehr viel mehr.
Werder muss deshalb stets aufs Neue versuchen, aus weniger mehr zu machen. Der Blick auf die Tabelle zeigt: Im Moment gelingt das gut. Konkurrenten wie Hoffenheim und Wolfsburg rangieren hinter Bremen. So sehr die Fans es beklagt haben, dass Werder einen Platz im Europapokal knapp verpasst hat: Realistisch betrachtet haben die Grün-Weißen vergangene Saison mehr erreicht, als es die wirtschaftlichen Möglichkeiten hergaben. Ein Mittelfeldplatz ist für Werder zwei Jahre nach dem Aufstieg und nach wirtschaftlich dramatischen Jahren eine gute Platzierung. Das Wichtigste ist, trotz der geringeren Mittel nicht wieder abzusteigen. Denn das würde den Verein wirtschaftlich weit zurückwerfen.
Klubchef Klaus Filbry präsentierte bei der Mitgliederversammlung an diesem Montag stabile Zahlen. Die Steigerung des Umsatzes um fast 30 Millionen auf 149,9 Millionen Euro lässt sich leicht erklären – und die Ursache für dieses Plus führt geradewegs zur nächsten Wahrheit. Denn vor allem stiegen die Einnahmen durch Spielerverkäufe erheblich, weil Werder für Niclas Füllkrug rund 18 Millionen aus Dortmund erhielt und für die Transfers von Ilia Gruev, Niklas Schmidt, Lee Buchanan und Raphael Borré weitere zehn Millionen. Dass Werder trotzdem nur rund zwei Millionen Euro Gewinn machte, zeigt deutlich: Der Verein ist auf Verkäufe von Spielern angewiesen, um wirtschaftlich über die Runden zu kommen.
Die Bilanz hätte besser aussehen können, wenn nicht die hohen Kosten für den aussortierten Transferflop Naby Keita und der fehlende Namenssponsor fürs Weserstadion eine millionenschwere Last wären. Es lohnt sich aber, bei den Zahlen für Werders Geschäftsjahr 2023/24 auf zwei positive Aspekte zu achten: Erstmals nach vier kritischen Jahren verfügt der Verein wieder über Eigenkapital, das mit 22,3 Millionen Euro sogar doppelt so hoch liegt wie vor Pandemie und Abstieg. Am Tiefpunkt 2020/21 lag das negative Eigenkapital bei minus 20,3 Millionen. Das viele Geld in der Kasse stammt aus dem Einstieg des regionalen Bündnisses um Ex-Manager Frank Baumann. Diese Gruppe brachte 38 Millionen Euro ein.
Dadurch wurde Werder handlungsfähig und konnte die Verträge wichtiger Spieler wie Michael Zetterer, Justin Njinmah und Romano Schmid vorzeitig verlängern – zwar zu deutlich höheren Bezügen, dafür hat sich Werder aber die Transferwerte der Spieler gesichert. Ein Verkauf würde sich in allen drei Fällen lohnen.
Es war richtig, keinen Topspieler zu holen
Dass Werder bewusst auf Millionen-Ausgaben für einen neuen Qualitätsspieler verzichtete, machte aus zwei Gründen Sinn: Einerseits würde ein Top-Mann die Entwicklung jüngerer Spieler auf seiner Position blockieren – solange Werder mit dem vorhandenen Personal die Ziele erreicht, ist das der klügere Weg. Zum anderen hat Werder dadurch heute mehr Geld auf dem Konto und ist gewappnet für den Fall, dass bei den nächsten Fernsehverträgen der Bundesliga keine Rekordsummen erzielt werden. Derart vorgesorgt zu haben, können nicht alle Vereine von sich behaupten. Auch der Bremer Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel sieht Werder ökonomisch seriös und gut aufgestellt.
Für die Zukunft zeichnet sich übrigens ab: Nach dem kurzen Höhenflug des E-Sports hat der Frauen-Fußball das höchste Wachstumspotenzial. Die Einnahmen und die Ausgaben für Gehälter sind dort deutlich gestiegen – dennoch wird Werder mit den Frauen kein Minus mehr machen. Künftig soll es ein Plus werden. Das würde die Bilanz zusätzlich verbessern.