Clemens Fritz ist schon länger im Fußball unterwegs, deshalb hat es den früheren Profi und Ex-Nationalspieler nicht überrascht, mit welcher Wucht der plötzliche Trainerwechsel dieser Tage in Bremen und bundesweit diskutiert wurde. Die Ruhe, die Fritz in vielen Lebenslagen ausstrahlt, hilft ihm dann, eine Menge auszuhalten oder an sich abprallen zu lassen. Als Geschäftsführer wickelt er gerade seinen ersten Trainerwechsel ab. Beim letzten Mal, als in kurzer Abfolge Markus Anfang, Danijel Zenkovic, Christian Brand und dann Ole Werner als Trainer ranmussten, war noch Frank Baumann der Sportchef. Das war im November 2021. Bremen stand damals in der unteren Hälfte der 2. Bundesliga. Gemessen daran ist die Lage für Fritz nun entspannter.

Grün auf Weiß ist die Werder-Kolumne des WESER-KURIER, in der Chefreporter Jean-Julien Beer einen Blick hinter die Kulissen des Bremer Traditionsvereins wirft, Zusammenhänge erklärt und Entwicklungen einordnet.
Man kann trotzdem davon ausgehen, dass ihn die einseitige Wahrnehmung bei der Trennung von Ole Werner gestört hat. Nach dem beachtlichen achten Platz in der Bundesliga agierte der Trainer aus einer Position der Stärke, er gab den Ton an und ließ die Öffentlichkeit an Diskussionen teilhaben, die intern nicht alle zu Ende geführt waren. Und es war der Trainer, der letztlich beschloss: So geht es nicht weiter.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Die recht kurze Mitteilung, die der Verein hierzu am Montagmittag verschickte, wird es nicht ins Handbuch für Krisenkommunikation schaffen. In knappen Zeilen hieß es: Der Trainer will nicht verlängern, der Verein bedauert das sehr, weil er gerne langfristig mit ihm weitergemacht hätte; der Verein müsse die Entscheidung nun annehmen und erst einmal analysieren und will sich Zeit nehmen, bis man ein Ergebnis der Überlegungen kommuniziert. Formulierungen, die wie ein Brandbeschleuniger wirkten in der ohnehin schon hitzigen Diskussion, was in Bremen zwischen dem jungen Trainer und dem beliebten Traditionsverein nicht stimmt?
Klar ist inzwischen, was dem Verein gefehlt hat: Nämlich die klare Bereitschaft des Trainers, den Weg auch in Zukunft mitgehen zu wollen. Irgendwann war der Punkt erreicht, an dem die Vereinsführung keinen Sinn mehr darin sah, detailliert über Veränderungen in der Infrastruktur oder der Kaderplanung zu sprechen, wenn da kein Trainer auf der anderen Seite des Tisches sitzt, der sich zu Werder bekennt.
Werner rangiert vor und hinter Kohfeldt
Gerne hätten Fritz & Co. schon am Montag die sofortige Freistellung des Trainerteams beschlossen und verkündet, um den Eindruck zu vermeiden, sehr kalt erwischt worden zu sein. Doch dazu bedurfte es aus formalen Gründen der Zustimmung des Aufsichtsrates, das ist bei einer Personalentscheidung dieses Ausmaßes nun einmal so. Diese Sitzung fand aber erst Montagabend statt. Am nächsten Morgen war der Trainer Ole Werner bei Werder Geschichte. Man schaute sich in die Augen und verabschiedete sich anständig.
Alle Beteiligten wussten, dass hier ein gutes und erfolgreiches Kapitel der Werder-Geschichte nach dreieinhalb Jahren zu Ende gegangen ist, für das es einfach keine Zukunft mehr gab. 1276 Tage war Werner in Bremen im Amt, damit bleibt er nun zwar knapp hinter Florian Kohfeldt (1283 Tage). Mit 1,44 Punkten pro Spiel schaffte Werner aber den besseren Schnitt als Kohfeldt (1,34).
Die Zukunft, in die Werder nun mit einem neuen Trainer startet, soll eine andere sein, das ist aus der Vereinsführung deutlich zu vernehmen. Es soll vermehrt darauf geachtet werden, jüngere Spieler zu sehen, zu fördern und ihnen Platz einzuräumen: im Kader, im Training, in den Spielen und im Gesamtkonzept. Ohne in einen Jugendwahn zu verfallen, soll die sportliche Ausrichtung entsprechend nachjustiert werden. Ole Werner tat sich damit schwer, für den neuen Trainer wird es ein K.-o.-Kriterium.
Dabei geht es nicht nur um Spieler aus dem starken U19-Jahrgang, die in Zukunft Profiluft schnuppern sollen. Es geht auch um jüngere Profis wie Justin Njinmah, Julian Malatini oder Keke Topp, sofern sie kommende Saison noch bei Werder sind. Der Gedanke dahinter: Weniger von Europa reden, sondern den Verein nachhaltiger entwickeln, indem man zunächst einmal Werte schafft. Nichts ist wertvoller als junge Profis, die in der Bundesliga eine Rolle spielen. Der neue Weg könnte Werder in der Tabelle ein wenig zurückwerfen, insgesamt soll es den Verein aber nach vorne bringen. Fritz sagt es so: „Manchmal ist es gut, einen Schritt zurückzugehen, um zwei Schritte voranzukommen.“
Das ist eine Herangehensweise, die Werder unabhängig vom Trainerwechsel gut zu Gesicht steht. Zumal der Verein nicht reich ist. Einer der ersten Anrufe, die Fritz nach der Trennung von Werner machte, war deshalb der bei Kapitän Marco Friedl: Die Mannschaft soll mitgenommen werden auf diesem Weg und auch bei der Auswahl des Trainers. Denn es ist ja so: Manche kamen mit Ole Werner weniger gut klar, andere viel besser. Es gilt nun auszuloten, was der Trainerwechsel für die Perspektive einzelner Spieler bedeutet.