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Werder-Kolumne Gute Transfers wären für Werder besser als geliehenes Geld

Die neue Anleihe ist für Werder ein Weg, um finanzielle Stabilität zu erlangen oder zu behalten. Doch könnte die Talentförderung eine nachhaltigere Lösung sein, meint Jean-Julien Beer. Es gibt gute Beispiele...
12.05.2025, 17:06 Uhr
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Gute Transfers wären für Werder besser als geliehenes Geld
Von Jean-Julien Beer

Man traut sich kaum, es laut auszusprechen. Aber ja, auch bei einem Traditionsverein wie dem SV Werder geht es um die Frage: Was macht dieses Tor oder jener Fehlschuss mit den Anlegern auf dem Finanzmarkt? Da kann ein Chancenwucher wie beim 0:0 gegen Leipzig schon mal zu grauen Haaren führen. Denn natürlich hätte eine Teilnahme am Europapokal die Finanzbraut SV Werder viel hübscher gemacht.

Die Begriffe, die auch rund um Werder kursieren, sind für manchen Fan härtere Kost als die Nachnamen einer ungarischen Nationalmannschaft. Rund um die neue Anleihe, die auf dem Finanzmarkt platziert wird, geht es um Nettoemissionserlöse, Kupon, Refinanzierung, Cashflow oder Periodenergebnisse – die Liste lässt sich fortführen, aber viele Fans steigen da früh aus.

Vereinfacht erklärt, geht es bei einer Anleihe darum, dass sich der Verein von Anlegern Geld leiht, das man in ein paar Jahren mit Zinsen zurückzahlen – nun ja: möchte. Das muss man so vorsichtig formulieren, denn heute kann niemand vorhersagen, wie es in ein paar Jahren um einen Fußball-Verein bestellt ist. Tor oder Pfosten, Europa oder Abstieg: Wenn Erfolg im Fußball planbar wäre, würden alle Vereine in der Champions League spielen.

Die Stiftung Warentest warnt

Bei so manchem Fußball-Club, der mit einer Anleihe Geld einsammelte, führte das zu einer Kettenreaktion. Um die geliehenen Millionen nach ein paar Jahren zurückzahlen zu können, lieh man sich neues Geld. Im Prinzip läuft das bei Werder auch so: Mit den erhofften 20 Millionen Euro aus der neuen Anleihe wird primär die fällige alte Anleihe zurückgezahlt.

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Die Stiftung Warentest warnt Fans davor, Geld in Fußball-Anleihen zu stecken. Zwar seien die Zinsen verlockend, aber: „Eine Anleihe des Herzens­ver­eins sollten Fans weder als sichere Anlage für Anschaffungen noch als gute Alters­vorsorge betrachten. Wer seinen Klub unterstützen will, sollte nur Geld investieren, dessen Verlust er verkraften kann.“ Quasi als Spende, die im Erfolgsfall vergoldet wird.

Wegen der Stiftung Warentest hat schon mancher Fußball-Manager Ausschlag bekommen, aber die Stiftung ist für die einfachen Leute da und nicht für das Wohl der Fußball-Vereine. Deshalb mal nachgefragt bei Professor Rudolf Hickel. Der Bremer Wirtschaftsexperte hat Werder in schlechten Zeiten oft kritisiert, jetzt hält er die Neuauflage der Mittelstandsanleihe für sinnvoll. Er erwartet, dass ein Großteil der bisherigen Anleger erneut einsteigt. Zusammen mit den 38 Millionen Euro von regionalen Investoren sei der Verein „finanzi­ell seriös für die Zu­kunft aufgestellt“. Hickel: „Geld schießt nicht immer Tore, von der Finanzierungsseite her sind die Bedingungen für die nächste Saison aber gut, auch sportlich zu gewinnen.“

Hertha BSC als krasses Beispiel

Euphorischer klingt Klaus Filbry, Werders Vorstands-Boss. Anfangs wurde er von so manchem Geschäftsmann im Bremer Umfeld belächelt. Doch in den Krisen-Zeiten durch Pandemie und Abstieg stabilisierte er den Verein mit ruhiger Hand. Unter seiner Regie hat sich Werder – neben Banken-Darlehen – im Jahr 2021 durch die erste Anleihe 17 Millionen Euro besorgt. Jetzt sagt er: „Wir schreiben die Erfolgsgeschichte fort. Die Anlegerinnen und Anleger haben die Möglichkeit, daran teilzuhaben.“

Wenn man Pech hat, kann man aber auch am Misserfolg teilhaben. Das erleben gerade alle, die Hertha BSC Geld gaben. Im Herbst muss der Hauptstadtklub 40 Millionen aus einer Nordic-Bond-Anleihe zurückzahlen – und keiner weiß, woher das Geld kommen soll. Denn klar ist ja, ob in Berlin, Bremen oder anderswo: Die Vereine leihen sich Geld, weil sie keins haben oder es auf anderem Wege nicht erwirtschaften konnten. Jetzt ist Herthas Zweitliga-Lizenz deswegen gefährdet. Zwar kann man sagen: Wer Hertha nur einen Cent gibt, ist selbst schuld. Aber der Fall zeigt, wie wackelig solche Geschäfte sind.

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Bei Werder zeigt die Kurve seit vier Jahren nach oben: Aufstieg, Klassenerhalt, immer bessere Platzierungen. Deshalb wird die neue Anleihe gut ankommen. Vorher ging es aber steil bergab: Abstiegskampf, Relegation, Abstieg.

Auf der Suche nach Geld gibt es andere Wege. Die sind arbeitsintensiver, aber lukrativer: Der VfB Stuttgart nahm vor der Saison durch den Verkauf von vier Spielern 77 Millionen ein – und holte Nick Woltemade ablösefrei aus Bremen. Beim SC Freiburg waren es im Sommer davor 38 Millionen für zwei verkaufte Spieler. Selbst Zweitligist Nürnberg machte ein Transferplus von 36 Millionen. Der Vorteil: Solches Geld ist nicht geliehen, es ist verdient und muss nicht zurückgezahlt werden.

Dass Werder einen Spieler für mehr als 20 Millionen verkaufte, ist lange her. Diego wechselte 2009 für 27 Millionen zu Juventus. Im jetzigen Sommer hofft Werder auf einen Transferüberschuss von sieben Millionen. Würden sich diese Zahlen mal erhöhen, durch das Finden, Fördern und Verkaufen von Talenten, bräuchte Werder über Anleihen nicht nachzudenken.

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