Bei allem Frust über das 0:3-Desaster in Darmstadt hatte es Werder-Coach Markus Anfang danach lange vermieden, einzelne Spieler zu kritisieren. So sprach er zwar den schlimmen Fehler von Nicolai Rapp vor dem 0:2 offen an, nannte aber dessen Namen nicht und betonte: „Es ist auch egal, wer den Rückpass gespielt hat.“ Eine Schutzmaßnahme für Rapp. Da verwunderte es schon, dass sich der Coach wenig später dann doch noch einen Spieler herauspickte und indirekt an den Pranger stellte – und zwar ausgerechnet den mental angeschlagenen Joker Niclas Füllkrug.
Auch am Böllenfalltor war Füllkrug zunächst nur Ersatzspieler gewesen, ehe er in der 64. Minute eingewechselt wurde. Bitter für Werder und Füllkrug: Nur Sekunden, nachdem der 28-Jährige den Platz betreten hatte, fiel das 2:0 für Darmstadt. Füllkrug ging sofort zum Mittelpunkt, forderte den Ball zum schnellen Anstoß. Er wollte was bewegen, hatte die Partie noch längst nicht aufgegeben. Der Angreifer probierte viel, setzte einmal Kollege Romano Schmid stark in Szene, doch dessen Schuss wurde gerade noch geblockt. Eine eigene echte Chance hatte Füllkrug nicht, er ist in dieser Saison weiter torlos.
Angespannte Situation um Füllkrug
Als Anfang nach der Partie gefragt wurde, von wem er sich mehr erwarte, da nannte er etwas überraschend explizit Füllkrug. „Wir wechseln einen zweiten Stürmer ein, dann muss am Ende des Tages aber auch etwas kommen“, sagte der Coach, der Startelf-Spieler Marvin Ducksch allerdings zum Teil in seine Kritik mit einschloss: „Wir haben die beiden da vorne drin, und sie schießen gefühlt nicht einmal aufs Tor. Gut, Marvin hatte den einen Kopfball, aber ,Fülle' hat gar keine Abschlussaktion gehabt.“ Ein Hinweis, der schon etwas Vorwurfsvolles hatte. Und es folgte eine noch deutlichere Aussage des Trainers Richtung Füllkrug: „Auch der, der reinkommt, kann mal einen Akzent setzen und eine Partie drehen.“ Anfang schloss zwar diesen Themenblock mit den Worten, „wir sind da alle in der Verantwortung und müssen es gemeinsam machen“, doch an Füllkrugs ungewöhnlicher Sonderrolle änderte das nichts.
Die „Personalie Füllkrug“ dürfte damit noch komplizierter werden. Der Stürmer hatte sich zuletzt öffentlich als „Verlierer“ bezeichnet, weil er nicht spielt, was wiederum Anfang „zu dramatisch“ gewesen war. Die Aussagen des Trainers aus Darmstadt lassen sich da durchaus als Ansage an den Stürmer deuten: Wenn du dich öffentlich beschwerst, muss auch mehr kommen, wenn ich dir eine Chance gebe.
Wie angespannt die Situation rund um Füllkrug ist, bewies eine Szene direkt nach der Partie. Auf dem Weg in die Kabine kam es zum lautstarken Zwiegespräch zwischen dem Stürmer und Clemens Fritz, dem Leiter Profifußball. Worum es genau ging, war nicht zu hören. Fritz empfahl Füllkrug schließlich, seinen Mund zu halten. Der hielt sich daran. Ob er es auch nach der Ansage des Trainers machen wird, bleibt abzuwarten. Füllkrug, der im Werder-Internat groß und im Weserstadion Profi geworden ist, identifiziert sich mit dem Club wie kaum ein anderer Spieler. Dass er nach dem Darmstadt-Desaster quasi als einziger Spieler vom Trainer öffentlich kritisiert wurde, obwohl er nur eingewechselt worden war, dürfte ihm alles andere als gefallen. Denn nun dürfte klar sein: Anfang und Füllkrug - das passt nicht. Was aus Vereinssicht bitter ist, denn Füllkrug gilt trotz seiner Torflaute als einer der besten Stürmer der 2. Liga und ist ganz nebenbei auch noch der teuerste Spieler im Werder-Kader.