Ole Werner redete gar nicht groß herum. „Ich freue mich sehr auf mein erstes richtiges Nordderby“, sagte der Coach des SV Werder Bremen vor dem Zweitliga-Kracher am Sonntag beim Hamburger SV – und die Betonung lag klar auf „richtiges“. Denn mit Nordduellen gegen den HSV kennt sich Werner als Ex-Trainer von Holstein Kiel natürlich aus, doch diese seien nun wahrlich nicht mit dem berühmten Nordderby vergleichbar.
„Das ist das größte Fußballspiel der Region. Es ist schön, ein Teil davon zu sein“, betonte Werner bei der Pressekonferenz am Freitag und machte sich auch keine Sorgen, dass es im zu Corona-Zeiten immerhin schon halb vollen Volksparkstadion durchaus ungemütlich für den SV Werder werden könnte: „Ich finde es immer geil, wenn du weißt, dass viele gegen dich sind. Da musst du dann als Gruppe mit den eigenen Fans im Rücken bestehen. Das kitzelt mich noch mal mehr – und vielen Spielern geht es genauso.“
Wobei nur wenige Werder-Profis das Phänomen Nordderby als Auswärtsspiel schon kennen. Doch Werner verzichtet darauf, die anderen Spieler mit entsprechenden Videos von Partien aus vergangenen Zeiten vorzubereiten. Sie sollen sich einfach freuen auf dieses besondere Spiel und es wie immer machen, so der Coach: „Alles positiv aufnehmen und sich dann auf das Spiel konzentrieren, denn das erhöht die Erfolgswahrscheinlichkeit.“ Jeder Punkt sei im Aufstiegsrennen wichtig, so Werner, „aber wir wollen natürlich mit so vielen Punkten wie möglich zurückkehren“. Eine Vorentscheidung würde so oder so noch nicht fallen. Es gehe in diesen Wochen ausschließlich darum, bis Ende April in einer guten Ausgangsposition zu bleiben.
Aktuell könnte diese nicht besser sein. Werder reist nach sieben Siegen in Folge und einem Unentschieden als Spitzenreiter an. Das 1:1 gegen Schlusslicht Ingolstadt vor knapp einer Woche hat dem Selbstbewusstsein nicht geschadet. Werner warnte zwar vor einem starken HSV und kündigte angesichts der, wie er sagte, „einzigartigen Spielweise“ der Gastgeber an: „Da müssen wir uns ein Stück weit anpassen.“ Doch grundsätzliche Veränderungen will der Bremer Coach gegen den Tabellenzweiten angeblich nicht vornehmen – aus gutem Grund: „Wir sind Werder Bremen, wir sind aktuell Tabellenführer, so wollen wir auch auftreten.“
Trotzdem ist es nicht ganz ausgeschlossen, dass die Grün-Weißen ein etwas anderes Gesicht als sonst zeigen, den Hamburgern, die nur einen Zähler weniger auf dem Konto haben, möglicherweise etwas spezieller begegnen. „Da möchte ich mir nicht in die Karten blicken lassen“, meinte Werner und grinste. Solche kleinen Psychospielchen gehören eben auch zu einem Nordderby.
Doch der Werder-Coach ist niemand, der so etwas zu sehr ausreizt oder irgendwelche Parolen raushaut. Das würde auch gar nicht zu seiner norddeutsch-nüchternen Art passen. Und trotzdem lässt er jeden spüren, dass ihn dieses besondere Spiel alles andere als kaltlässt, dass er auch dieses Kribbeln wahrnimmt wie die Fans. Nur ist es eben seine Aufgabe, diese Gefühle zu kanalisieren und möglichst zu einem erfolgreichen Ergebnis zu führen. Er setzte dabei unter der Woche auf „normale Alltagsarbeit“. Vielleicht mit einem Schuss mehr Emotion als sonst.
Anders als eine Woche zuvor in der Vorbereitung auf das Ingolstadt-Spiel seien die Profis von der ersten Trainingsminute an voll bei der Sache gewesen. Jetzt fehle am Samstag nur noch ein gutes Abschlusstraining, so Werner, dann könne das Nordderby am Sonntag kommen. Dabei rechnet er mit einem Vollgas-Start auf beiden Seiten. Keine ganz ungefährliche Geschichte. Und so lautet Werners Erfolgsformel: „Entscheidend wird am Ende sein: Welche Mannschaft kann bei sich bleiben und ihr Ding durchziehen?“
Die Antwort soll natürlich, wenn es nach Werner geht, Werder heißen. Mit Kiel konnte er den HSV allerdings noch nie bezwingen, verlor aber auch keine der vier Partien. Dafür feierte er 2009 durchaus mit, als Werder den HSV in den berühmten vier Duellen in nur 19 Tagen in gleich drei Wettbewerben (DFB-Pokal, Uefa-Cup und Meisterschaft) ziemlich wehtat. „Aus familiären Gründen war ich damals etwas mehr bei Grün-Weiß“, erinnerte sich der gebürtige Schleswig-Holsteiner. Als Trainer trägt er nun selbst die Raute und kann im 156. Nordderby (alle Wettbewerbe) diese ganz besondere Geschichte mitschreiben.