Es waren nur ein paar Schritte, vielleicht vier oder fünf, und Mitchell Weiser hatte sein Ziel auch schon erreicht – und damit einen folgenschweren Fehler begangen. Denn dort, wo Werder Bremens Abwehrspieler in der 42. Minute des Nordderbys gegen den Hamburger SV (0:2) nun stand, hätte er nicht stehen dürfen. Ganz einfach. So ist es im offiziellen Regelwerk des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) festgehalten.
Unter dem Punkt „Freistöße“ ist auf Seite 88 notiert: „Bilden drei oder mehr Spieler des verteidigenden Teams eine Mauer, müssen alle Spieler des angreifenden Teams einen Abstand von mindestens 1 Meter zur Mauer einhalten, bis der Ball im Spiel ist.“ Das Problem: Bis Samstagabend hatte Weiser davon noch nie etwas gehört, sich deshalb ruhigen Gewissens in die Hamburger Mauer gedrängt – und das folgende Freistoßtor von Marvin Ducksch dadurch in Rauch aufgehen lassen.
„Ich wusste es einfach nicht, was soll ich sagen?“, erklärte der 27-Jährige nach dem Spiel geknickt und betonte: „Es tut mir leid für Marvin und für die Mannschaft. Das wäre ein Riesentor für uns gewesen. Es ist einfach nur traurig.“ Ducksch hatte den Ball aus halblinker Position gefühlvoll ins Tor geschlenzt und für den vermeintlichen 1:1-Ausgleich gesorgt. Mitten in den Bremer Jubel hinein gab es dann allerdings den großen Stimmungskiller: Schiedsrichter Sascha Stegemann erkannte den Treffer zurecht nicht an – und Ducksch verstand im ersten Moment die Welt nicht mehr.

Der Moment, in dem Mitchell Weiser (links) erkennt, dass der Treffer wegen seiner Aktion nicht zählt.
Weiser in der gegnerischen Mauer hatte er „gar nicht gesehen, weil ich so auf den Schuss konzentriert war“, berichtete der Stürmer. Anderen Akteuren auf dem Platz war der Bremer in der verbotenen Zone hingegen sehr wohl aufgefallen: HSV-Profi Moritz Heyer, der Weiser in der Mauer am nächsten stand, reklamierte schon vor der Ausführung aufgebracht.
Für Werder war es eine „sehr ärgerliche Situation“ (Ducksch), zumal die Spieler vor dem Saisonstart in einer Regelschulung noch einmal auf den seit 2019 geltenden Mauer-Abstand hingewiesen worden waren. „Es wurden viele Dinge angesprochen, unter anderem das“, sagte Werder-Trainer Markus Anfang, wollte Weiser aber keinen allzu großen Vorwurf machen. „Er hat im letzten Jahr kaum gespielt, und die Regel ist noch relativ neu. Da kann es schon mal passieren, dass man sie nicht berücksichtigt“, sagte der Coach, der sich sicher ist, „dass er die Regel jetzt nie mehr vergessen wird“.