Es liegen schwierige Jahre hinter dem SV Werder Bremen. Da tat das vor zwölf Monaten verkündete Geschäftsergebnis für die Saison 2021/22 mit einem Plus von 6,3 Millionen Euro bei einem Umsatz von 102,2 Millionen Euro schon ziemlich gut. Doch aus dem Plus wurde wieder ein Minus. In der Spielzeit 2022/23 lag der Fehlbetrag bei einem Umsatz von 120,1 Millionen Euro bei 3,8 Millionen Euro. Dadurch stieg das negative Eigenkapital auf 17,8 Millionen Euro. Werder-Boss Klaus Filbry ist dennoch zufrieden. Bei der Verkündung der Zahlen auf der Mitgliederversammlung des SV Werder Bremen in der Halle an der Hemelinger Straße schaute er am Sonntag optimistisch in die Zukunft. Denn es kündigt sich bereits der nächste Plus-Minus-Wechsel an.
„Nach dem Aufstieg war es wichtig, die strategische Grundausrichtung des Vereins neu zu definieren“, blickte Filbry schon im Vorfeld der Versammlung im Gespräch mit unserer Deichstube zurück: „Es gibt für uns zwei notwendige Ziele: fester Bestandteil der Bundesliga sein und finanzielle Stabilität. Und wir haben differenzierende Ziele: Wie agieren wir nachhaltig, wie entwickeln wir Menschen und wie begeistern wir Menschen?“ Nach der Rückkehr in die Bundesliga vor einem Jahr hätten dann die beiden notwendigen Ziele in einem Reibungsverhältnis gestanden. „Da mussten wir eine Grundsatzentscheidung treffen“, erinnerte sich Filbry: „Gehen wir nochmal in ein wirtschaftliches Risiko oder erzielen wir Transfererlöse? Wir wollten aber unbedingt den Kader zusammenhalten und auch noch weiterentwickeln. Wir haben deshalb bewusst auf Transfererlöse verzichtet, weil wir gesagt haben: Das Ziel ,fester Bestandteil der Bundesliga sein‘ ist prioritär zu betrachten gegenüber der finanziellen Stabilität.“
Der Plan ging sportlich auf, Werder hielt letztlich souverän die Klasse. Dafür sank der Transferüberschuss von 28 Millionen Euro im Jahr zuvor auf 5,3 Millionen Euro. Und diese Summe kam auch nur zusammen, weil nach der Saison kurz vor Ende des Geschäftsjahres noch Einnahmen erzielt wurden - durch die Verkäufe von Fabio Chiarodia (2 Millionen Euro/Borussia Mönchengladbach) und Yannik Engelhardt (700.000/SC Freiburg) sowie Nachzahlungen bei Josh Sargent (600.000/Norwich City), Davy Klaassen (500.000/Ajax Amsterdam), Maximilian Eggestein (350.000/SC Freiburg) und Jan-Niklas Beste (450.000/1. FC Heidenheim). Hätte sich Werder im Sommer zuvor nicht den Kauf von Jens Stage gegönnt (4 Millionen Euro/FC Kopenhagen), hätte es in der Bilanz kein Minus gegeben. Aber der Spieler wurde als wichtige Weiterentwicklung für das Team angesehen – genauso wie die ablösefreien Verpflichtungen von Niklas Stark und Amos Pieper.
Eigentlich benötigt Werder pro Saison Transfererlöse zwischen fünf und zehn Millionen Euro, um das Strukturdefizit ausgleichen zu können. So geht es in unterschiedlichen Größenordnungen praktisch allen Bundesligisten – mit Ausnahme des FC Bayern sowie den Werksclubs Bayer Leverkusen und VfL Wolfsburg oder auch Sonderfall RB Leipzig, die Verluste über die Konzerne ausgleichen können. Bei Clubs wie Werder reichen die üblichen Einnahmen meistens nicht aus, um das Bundesliga-Geschäft wettbewerbsfähig zu betreiben.
Dabei erlebten die Grün-Weißen nach dem Aufstieg deutliche Steigerungen. Im Bereich Spielbetrieb (vornehmlich Ticketverkauf) ging es rauf von 16,2 auf 28,1 Millionen Euro, weil nach Ende der Corona-Pandemie wieder stets vor vollbesetzten Rängen gespielt werden konnte und die Preise in der Bundesliga im Business-Bereich wesentlich höher sind. Auch die Sponsoren zahlen wieder auf Erstliga-Niveau (im Schnitt 50 Prozent mehr), dazu wurden neue Verträge abgeschlossen und dadurch statt 17,3 dann 30,7 Millionen Euro erlöst. Das TV-Geld schnellte ebenfalls von 22,6 Millionen Euro in Liga zwei in die Höhe auf 30,7 Millionen Euro. Allerdings bedeutete das nur Rang 17 im Bundesliga-Ranking und lag 22 Millionen Euro unter der Ausschüttung in der Saison vor dem Abstieg.
Der Bereich Handel mit dem Merchandising konnte von sechs Millionen Euro auf neun zulegen. Dafür sanken die sonstigen betrieblichen Erlöse von 12,1 Millionen Euro auf 8,8, weil es keine Überbrückungshilfen im Zuge der Corona-Pandemie mehr gab.
Wer viel einnimmt, gibt auch viel aus. Ein Bundesligist vor allem für das Personal. Da stieg der Aufwand von 43,8 Millionen Euro auf 57,2, wovon vor allem die Spieler profitierten, die in Liga eins insgesamt zwölf Millionen Euro mehr verdient haben. Das Gehaltsbudget lag in der vergangenen Saison bei etwa 35 Millionen Euro. Mit einer Summe von 47 Millionen Euro (statt 35,3 im Vorjahr) fällt bei den Ausgaben der Bereich „Sonstige betriebliche Aufwendungen“ ins Auge. Dazu zählen zum Beispiel die Zinsen für die Mittelstandsanleihe und die Kredite, Spielerberatungsausgaben, Ausleihgebühren, Verbandsabgaben, die Kosten für die Stadionnutzung, für Werbung und für das Abschiedsspiel von Claudio Pizarro. Die anderen in die Kapitalgesellschaft ausgegliederten Sportarten wie Handball, Tischtennis, Schach und Frauen-Fußball werden ebenfalls aus diesem Topf bedient.
Im Mittelpunkt steht allerdings der Profi-Fußball, weil der die größten Einnahmen generiert, aber eben durch geringen Transfereinnahmen auch für das Minus gesorgt hat. „Ich hätte mir natürlich ein positives Ergebnis gewünscht, aber ich kann damit leben“, sagte Filbry und betonte: „Das wirtschaftliche Risiko war überschaubar – und wir haben es durch das Jahr davor und das laufende Jahr überkompensiert. Wir gehen den Weg der wirtschaftlichen Vernunft weiter.“ Denn durch die Sommer-Transfers von Niclas Füllkrug (15 Millionen Euro/Borussia Dortmund), Ilia Gruev (6 Millionen/Leeds United) und Niklas Schmidt (2,5 Millionen/FC Toulouse) sei ein positives Ergebnis für das laufende Geschäftsjahr sehr wahrscheinlich, so Filbry. Diese lukrativen Wechsel haben zudem dafür gesorgt, dass keine weitere Strafe wegen Verstoßes gegen Lizenzauflagen drohe, so der Werder-Boss. Die Bremer hatten zuletzt 800.000 Euro an die Deutsche Fußball-Liga (DFL) überweisen müssen, weil das negative Eigenkapital im Kalenderjahr nicht die erforderlichen zehn Prozent geschrumpft war.
Aber die aktuell 17,8 Millionen Euro als Fehlbetrag sowie die Anleihe und die Kredite zeigen, dass Werders Lage alles andere als rosig ist. Immerhin ist die Summe der landesverbürgten Darlehen inzwischen durch Tilgung von 20 auf etwa 17 Millionen Euro gesunken. Die Anleihe umfasst rund 18 Millionen Euro. Jedes Jahr werden dafür 6,5 Prozent Zinsen fällig, die Rückzahlung steht 2026 an. Die Zeiten werden also nicht leichter für Filbry und Co.