In der vergangenen Woche gab es in der Kabine des SV Werder Bremen kurzzeitig ein Thema, bei dem der Fußball weniger Sportart, sondern mehr ein Geschäftsmodell ist, in dem jeder Profi bekanntlich ein imaginäres Preisschild um den Hals trägt. Ändert sich die Summe darauf, ist das jedes Mal wieder prima Gesprächsstoff.
„Nick Woltemade hat mir nach seiner Rückkehr von der U 21-Nationalmannschaft sofort gesagt, dass neue Marktwerte rausgekommen sind“, verriet Außenbahnspieler Felix Agu, dessen eigene Marke vom Branchenportal „transfermarkt.de“ von 600 000 Euro auf stolze 2,5 Millionen Euro nach oben korrigiert worden war. Das größte Plus verzeichnete derweil Stürmer Justin Njinmah, der nun bei neun Millionen Euro steht – damit aber immer noch nicht der wertvollste Bremer Profi ist.
Der heißt aktuell Eren Dinkci, wird seit der vergangenen Woche auf zehn Millionen Euro taxiert, läuft in dieser Saison aber nicht für Werder, sondern leihweise für den 1. FC Heidenheim auf, wo er sich zum Bundesliga-Shootingstar entwickelt hat. Ein mehr als erfolgreiches Leihgeschäft also, für den Spieler. Für Werder hingegen hat es sich längst zum Problem entwickelt, denn für eine Rückkehr Dinkcis spricht inzwischen nur noch wenig bis gar nichts.
Baumann bestätigt: Ausstiegsklausel im Dinkci-Vertrag
„Eren hat sich einen gewissen Markt erspielt, das ist uns natürlich nicht entgangen“, sagt Werders Sportchef Frank Baumann im Gespräch mit unserer Deichstube – und bestätigt erstmals öffentlich, dass es im noch bis 2025 gültigen Arbeitspapier des 22-Jährigen eine Ausstiegsklausel gibt: „Bei seiner letzten Vertragsverlängerung, damals noch in der 2. Liga, haben wir eine entsprechende Klausel vereinbart.“ Diese, so ist zu erfahren, erlaubt es Dinkci, den SV Werder vor der neuen Spielzeit für eine festgeschriebene Ablösesumme in Höhe von fünf Millionen Euro zu verlassen. Bis kurz nach Ablauf der Saison, sprich bis Ende Mai, soll die Klausel gültig sein.
Angesichts von Dinkcis Leistungsexplosion in der laufenden Serie – aktuell steht der gebürtige Bremer bei acht Toren und vier Assists – gilt er dank der Klausel längst als Schnäppchen, um das sich gleich mehrere Vereine intensiv bemühen. Darunter befinden sich nach Informationen unserer Deichstube auch die Bundesliga-Topklubs Borussia Dortmund, Bayer Leverkusen und RB Leipzig. Auch der SC Freiburg soll seine Fühler nach dem Stürmer ausgestreckt haben, den neben aktueller Ausbeute und Ausstiegsklausel noch etwas attraktiv macht: Mit einem Topspeed von 36,41 km/h ist er der derzeit schnellste Spieler der Bundesliga. Da sich die Profis in Sachen technischer Ausbildung und taktischem Verständnis in den vergangenen Jahren immer weiter angenähert haben, gilt bloße Geschwindigkeit längst als Faktor, der den Unterschied ausmachen kann – und der dementsprechend sehr, sehr teuer ist. Normalerweise.
Das ist natürlich auch am Osterdeich alles bekannt. Werder kämpft seit Wochen darum, sein Eigengewächs Dinkci (seit der U19 im Klub) von einer Zukunft in Bremen zu überzeugen – zumal der Spieler nach Nick Woltemade das zweite selbst ausgebildete Talent aus dem eigenen Nachwuchs wäre, der den Verein im Sommer deutlich unter Wert verlässt. Woltemade müssen die Bremer nach der Saison sogar ablösefrei ziehen lassen.
„Eren liegt ein konkretes Angebot von uns vor“, sagt Baumann – und betont: „Wir würden seinen Vertrag sehr gerne verlängern.“ Dinkcis Berater Ersin Akan von der Großagentur EMG Mundial war im März bereits für Gespräche in Bremen, der Austausch läuft weiterhin. Allzu viel Optimismus verbreitet Sportchef Baumann in dieser Sache nach außen hin aber nicht unbedingt, wenn er konstatiert: „Es gibt eben auch Konkurrenz, und man muss ehrlich sagen: Ganz einfach wird es für uns nicht. Es kann durchaus sein, dass er geht.“ Das sind Aussagen, die bei den Bremer Fans keine Jubelstürme auslösen dürften, die bei genauerer Betrachtung aber nichts weniger sind als eine realistische Einschätzung der aktuellen Situation.
So dürfte Eren Dinkci aufmerksam registriert haben, dass in Woltemade ein anderer Jungprofi mit großem Potenzial und langjähriger Weggefährte von ihm einen anderen Weg einschlägt. Das aktuelle sportliche Auftreten der Bremer Bundesliga-Mannschaft taugt zudem auch nicht gerade als Bewerbungsschreiben, und das Verhältnis zwischen Trainer Ole Werner und Eren Dinkci gilt als vorbelastet. Zur Erinnerung: Kurz nach seiner Ausleihe an Aufsteiger Heidenheim hatte Dinkci gegenüber der DeichStube öffentlich die in seinen Augen mangelnde Kommunikation mit dem 35-Jährigen beklagt.
All das ergibt ein Paket, das Werder im Poker um sein eigenes Top-Talent längst zum krassen Außenseiter gemacht hat. Die Hoffnung aufgegeben haben sie am Osterdeich zwar noch nicht – mit dem Gedanken, dass Eren Dinkci in ein paar Wochen „Tschüss, Werder“ sagt, werden sich die sportlich Verantwortlichen aber schon intensiv auseinandergesetzt haben.