Ganz locker schlenderte Senne Lynen durch den Spielertunnel des Wohninvest Weserstadions, hob lässig die Hand zum Gruß in die Runde und ließ bereits ein kurzes „Moin“ folgen. Der Einstieg in seine offizielle Vorstellung beim SV Werder Bremen war also gelungen, und auch den Fototermin an seinem neuen Arbeitsplatz samt anschließendem Frage-Antwort-Spiel mit den Journalisten absolvierte er souverän. Ein paar weitere Brocken Deutsch hatte er im Gepäck, ansonsten sprach er Englisch oder Flämisch über seinen Wechsel an die Weser. Ein Transfer, der mit einigen Erwartungen verbunden ist, schließlich wurde nach langer Zeit ein jahrelang herbeigesehnter defensiver Mittelfeldspieler verpflichtet. Doch den 24-Jährigen stört diese Ausgangslage überhaupt nicht.
„Sie haben mir hier sofort gesagt, dass die Fans unbedingt einen echten Sechser sehen wollen“, erzählte Lynen lachend. „Es gibt dadurch vielleicht hohe Erwartungen, aber ich liebe diesen Druck. Ich hoffe, dass ich sie nicht enttäuschen werde.“ In der vergangenen Saison hat der Belgier gezeigt, was er zu leisten imstande ist. In seiner Heimat war er unangefochtener Stammspieler bei Royale Union Saint Gilloise, verpasste mit dem Überraschungsteam nur knapp den Meistertitel in der Jupiler Pro League und scheiterte in der Europa League erst im Viertelfinale.
Das weckt Begehrlichkeiten. Nicht nur von Werder. „Es gab einige Optionen für einen Wechsel, aber Bremen war die richtige Entscheidung für mich“, betonte Lynen. „Es ist schwierig zu erklären, aber es fühlt sich einfach richtig an.“ Den ersten Kontakt habe es bereits vor Monaten gegeben, in den vergangenen Tagen wurde die Verpflichtung für eine Ablösesumme von zwei Millionen Euro dann bekanntlich finalisiert. Und ab sofort darf Senne Lynen nun in Deutschland zeigen, was er kann.
Intensiv will er zu Werke gehen, dabei auch läuferisch überzeugen. Vornehmlich was die Vielzahl der abgespulten Kilometer während einer Partie angeht. Doch er kann noch mehr. „Ich glaube nicht, dass ich der schnellste Spieler im Team bin, aber ich versuche immer, sehr schnell zu spielen und zu passen“, beschrieb sich der gebürtige Antwerpener, der unmittelbar vor seiner starken Saison beim Ex-Club aus Brüssel noch einen Kreuzbandriss im linken Knie hatte überstehen müssen. Spätfolgen spürt er keine mehr. „Im Moment ist alles perfekt, ich habe in der vergangenen Saison fast 5000 Minuten gespielt“, erzählte Lynen. „Ich habe nicht ein einziges Spiel aufgrund einer Verletzung verpasst, sondern eines nur wegen einer Gelbsperre und eines, weil ich krank war. Meinem Knie geht es also gut, aber es schadet natürlich nicht, es weiterhin stark zu halten.“
Dass er trotzdem hart um einen Platz in der Startelf wird kämpfen müssen, ist dem Mittelfeldakteur bewusst. Schließlich ist die Konkurrenz in der Zentrale nicht eben gering. „Es wird nicht einfach sein, aber das sorgt bei mir nur für noch mehr Ehrgeiz, in den Trainingseinheiten zu überzeugen“, sagte Senne Lynen. „Denn natürlich will ich spielen.“ Und zwar gern nicht nur gegen den Abstieg. „Ich will nicht nach unten schauen, sondern nur nach oben“, betonte er.
Ganz vielleicht wird er dann auch mal in die belgische Nationalmannschaft eingeladen. Letztmals war er für die U19-Auswahl seines Heimatlandes im Einsatz. „Wenn es eines Tages passiert, dann wäre ich sehr stolz. Wenn nicht, dann ist es eben so – das ist Fußball“, meinte Lynen. „Aber natürlich erhöht es meine Chancen dabei zu sein, wenn ich in der Bundesliga spiele.“ So wie es einst ein gewisser Kevin de Bruyne vor ihm bei Werder gemacht hat. „Natürlich ist er ein Vorbild. Ich war noch sehr jung, als er hierhergekommen ist, aber ich kann mich noch gut daran erinnern.“ In der Saison 2012/2013 war das, Senne Lynen war da gerade 13 Jahre alt. Und seitdem der heutige Weltstar in Bremen begeisterte, existiert Werder auf Lynens Fußball-Landkarte. „Es ist schon verrückt, dass man der nächste Belgier nach ihm hier ist“, sagte er – und unterschlug dabei kurzerhand den Leihwechsel von Torhüter Koen Casteels nach Bremen in der Rückrunde der Spielzeit 2014/2015. Bald wird Lynen dem aktuellen Keeper des VfL Wolfsburg in der Liga persönlich begegnen. Er selbst hat es in der Hand, ob er es beim direkten Duell im November auf dem Feld oder als Zuschauer auf der Bank tun wird.