Just setzten die ersten Regentropfen ein. In wenigen Augenblicken sollte sich ein strammer Schauer über dem Weserstadion entladen. Doch die wenigen Sekunden bis zum Guss mussten genutzt werden. Schließlich hatte manch Fan des SV Werder Bremen schon eine ganze Weile hinter der Arena gelauert. Irgendwann musste er doch kommen. Und er kam: Senne Lynen. Werder hat den Transfer des belgischen Mittelfeldspielers am Dienstag offiziell gemacht, um exakt 12.59 Uhr zeigte dieser sich erstmals kurz der Öffentlichkeit, schrieb seine ersten Autogramme und erfüllte Fotowünsche. Dann war er auch schon wieder in den Katakomben verschwunden. Was weniger am aufziehenden Regen lag, denn an einem eng getakteten Zeitplan.
Für Senne Lynen (sprich: Lienen) geht es in diesen Tagen Schlag auf Schlag. Noch am vergangenen Wochenende stand er für Royale Union Saint Gilloise auf dem Platz, nach zwei Spieltagen der ersten belgischen Liga ziert das Team die Tabellenspitze. In der vergangenen Saison sorgte der Klub unter anderem mit dem Einzug ins Viertelfinale der Europa League für Furore, Lynen war unangefochtener Stammspieler und Leistungsträger. Und doch brach der 24-Jährige dort nun seine Zelte ab, machte sich auf den Weg an den Osterdeich.
Wie man bei Werder Bremen über Neuzugang Senne Lynen denkt
"Es war eine sehr einfache Entscheidung, Werder ist für mich ein sehr großer Klub“, erklärte er in einem Interview auf Werders Internetseite. „Bremen ist eine tolle Chance und der richtige Schritt für mich.“ Bei seinem bisherigen Arbeitgeber geht der Aderlass indes weiter, vor Lynen haben sich schon fünf Profis für Millionen-Ablösen verabschiedet. Nach Informationen unserer Deichstube überweisen die Hansestädter ihrerseits zwei Millionen Euro ins Nachbarland, wo der einstige Junioren-Nationalspieler noch einen Vertrag bis ins Jahr 2024 besaß. Zum jetzigen Kontrakt wurden wie gewohnt keine Angaben gemacht, es ist aber zu hören, dass es sich um einen langfristigen Vertrag handelt und sich Union Saint Gilloise zudem eine Weiterverkaufsbeteiligung gesichert hat.
„Wir freuen uns sehr, dass Senne sich für Werder entschieden hat. Wir verfolgen seinen Weg schon eine ganze Weile“, erklärte Clemens Fritz als Werders Leiter Profifußball. Ein unbeschriebenes Blatt ist Lynen also nicht. Zumindest bei den Verantwortlichen. Ansonsten war der Transfer für viele eine echte Überraschung. Zumal auf dieser Position, wo jahrelang nicht viel passierte. Selbst innerhalb der Mannschaft war zunächst nicht so ganz klar, wer da künftig das Werder-Trikot tragen wird. „Ich kenne ihn leider nicht“, gab etwa Leonardo Bittencourt unumwunden zu. „Das ist aber nichts gegen den Jungen, sondern der Tatsache geschuldet, dass ich zwei Kinder und dementsprechend nicht viel Zeit habe, um auch noch den Fußball in anderen Ligen zu verfolgen.“ Und der 29-Jährige schob lächelnd hinterher: „Ich denke aber, dass die Verantwortlichen schon wissen werden, wen sie geholt haben.“
Das tun sie. „Er ist ein physischer Spieler, der eine sehr gute Übersicht hat und gerade im defensiven Mittelfeld seine Stärken ausspielen kann, durch die er einem Spiel eine gewisse Stabilität verleiht“, urteilte beispielsweise Cheftrainer Ole Werner. Auch Lynen selbst sieht sich als echter Sechser, „allein oder zu zweit, das ist egal“, betonte er. Der Neu-Bremer sei sich dabei nicht zu schade, während einer Partie etliche Kilometer abzureißen und den Gegenspielern intensiv in die Parade zu fahren. Auf die Defensive allein will er sich aber nicht festnageln lassen, sondern gern auch den Vorwärtsgang einlegen. Oder wie es Senne Lynen selbst ausdrückt: „Ich möchte der Kleber zwischen den verschiedenen Positionen sein, das Herz des Teams.“
Zunächst aber muss er sich seinen Platz erst einmal erkämpfen, sich in der neuen Umgebung zurechtfinden. Am Dienstagnachmittag hatte er dazu erstmals Gelegenheit, stand direkt mit seinen neuen Kollegen auf dem Trainingsplatz. Dabei wirkte er anfangs allerdings noch ein wenig isoliert. Doch das soll und wird sich zeitnah ändern. „In den ersten Wochen und Monaten will ich so schnell wie möglich ankommen und meine Rolle im Team finden – und natürlich so viele Spiele wie möglich gewinnen“, betonte der gebürtige Antwerpener.
Senne Lynen hat große Ziele mit Werder Bremen
Denn wo es Siege gibt, da gibt es auch viele Punkte. Und eine entsprechend hohe Platzierung in der Tabelle. Das ist in Deutschland nicht anders als in Belgien. Dort, wo Lynen, der am Mittwoch offiziell bei Werder während einer Pressekonferenz vorgestellt wird, im Frühjahr nur ganz knapp mit seinem Überraschungsteam am Meistertitel vorbeischrammte. Den nötigen Trost nach der sportlichen Enttäuschung holte sich Lynen umgehend im privaten Umfeld. Nur einen Tag nach dem verpassten Coup wurde der Mittelfeldakteur nämlich erstmals Vater.
Es geht eben Schlag auf Schlag bei Senne Lynen. Jetzt sind wieder die fußballerischen Ambitionen an der Reihe. Und die sind groß. Dafür hat er die Aussicht auf weitere Einsätze in der Europa League bei seinem Ex-Klub sausen lassen. Ob ihm der Verzicht schwergefallen ist? „Nein“, sagte Lynen und grinste, „denn ich will versuchen, dort mit Werder hinzukommen.“