Erwähnt haben das Thema im Grunde alle Profis und Verantwortlichen von Werder Bremen, die nach dem furiosen 3:2-Erfolg bei Borussia Dortmund nach ihrer Einschätzung gefragt wurden – nur die Wortwahl wich in den einzelnen Statements etwas voneinander ab. Während Milos Veljkovic beispielsweise den „Spirit“ des Teams hervorhob, sprach sein Abwehrkollege Amos Pieper von der „Mentalität“. Werders Sportchef Frank Baumann wiederum hatte eine große „Überzeugung“ und Siegtorschütze Oliver Burke den nötigen „Glauben“ an die eigenen Stärken innerhalb der Mannschaft ausgemacht. Am Ende waren es vier Ansätze, um ein Phänomen zu erklären, das in der noch jungen Bundesligasaison an jedem der bisher drei Spieltage sichtbar geworden war: Rückschläge scheinen dieser Mannschaft überhaupt nichts mehr auszumachen.
In Wolfsburg, gegen Stuttgart und zuletzt beim BVB hatten die Bremer zwischenzeitlich hinten gelegen, aussichtslos zum Teil, hatten dann aber noch Antworten gefunden und nicht verloren. In den Augen von Werders Leiter Profifußball Clemens Fritz ist diese auffällige Resilienz eine Errungenschaft aus dem Zweitligajahr, die die Mannschaft von Cheftrainer Ole Werner nun mit ins Oberhaus gebracht hat.
„Wir mussten im vergangenen Jahr viele Nackenschläge wegstecken, sportlicher und nicht-sportlicher Natur“, blickt Fritz im Gespräch mit unserer Deichstube zurück – und betont: „Das hat die Gruppe definitiv zusammengeschweißt.“ Der durchwachsene Saisonstart nach dem Abstieg, die lang anhaltende personelle Unklarheit, dann der Impfpass-Skandal rund um Trainer Markus Anfang – reibungslos lief das Jahr in Liga zwei für die Bremer bekanntermaßen nicht ab. Und selbst wenn die negativen Ausschläge unter Werner fast verschwanden, ein paar schwierige Momente gab es auch mit dem neuen Coach, wobei die Heimniederlage gegen Kiel kurz vor dem Saisonende sicherlich der empfindlichste war. „Wir haben in der zweiten Liga gesehen, dass sich das Ruder immer noch rumreißen lässt, wenn alle daran glauben“, sagt Fritz. Und davon profitiere die Mannschaft bis heute.
Schlüsselspieler sind Werder Bremen erhalten geblieben
Tatsächlich ist es so, dass mit Ausnahme von Kapitän Ömer Toprak alle zentralen Figuren, alle Leistungsträger und Wortführer im Verein geblieben sind. „Es war unser Ziel, das Team nach dem Aufstieg so schnell wie möglich zusammenzuhaben und den bestehenden Kader so wenig wie möglich zu verändern, damit die positive Atmosphäre in der Kabine erhalten bleibt“, erklärt Fritz. Die große Euphorie des Aufstiegs und das Selbstvertrauen, für das sie zweifelsohne bei jedem Einzelnen gesorgt hat, sollten auf diese Weise konserviert werden.
Herausgekommen ist dabei eine Atmosphäre, von der offenbar auch die Neuzugänge schnell eingenommen wurden. „Es wurde mir hier leicht gemacht. Die Jungs sind sehr locker und sehr hilfsbereit auf und neben dem Platz“, hatte Amos Pieper beispielsweise kurz nach seiner Verpflichtung gesagt. Nach dem BVB-Spiel sagte er nun: „Unsere Mentalität ist, dass wir uns treu bleiben, egal, in welcher Situation. Egal, ob wir hinten liegen oder führen, wir wollen unser Ding durchziehen und unseren Fußball spielen.“ Bisher hat das ganz gut geklappt.
„Die Mannschaft kommuniziert als Gruppe gut miteinander. Es wird viel gesprochen – gerade auch, wenn es mal nicht läuft. Das Gebilde ist sehr gefestigt“, hält Fritz fest – wohlwissend, dass der erste richtige Stresstest in Form einer Niederlage noch aussteht. Aktuell jedenfalls wirken die Bremer so, als wenn sie auch damit umzugehen wissen, sobald es denn nötig sein sollte. „Es ist jedenfalls zu merken, dass wir unsere Rolle angenommen haben. Jeder bei uns weiß, dass wir ein Aufsteiger sind und dass wir immer alles auf den Platz bringen müssen, um punkten zu können“, sagt Fritz.
Die Aufgabe für Cheftrainer Werner wird es nun sein, dafür zu sorgen, dass Werders aktuelles Selbstverständnis – ob man es nun mit „Spirit“, „Mentalität“, „Überzeugung“ oder „Glaube“ umschreibt – so lange wie möglich erhalten bleibt. „Die Gruppe steht zusammen. Alle sind von der ersten bis zur letzten Minute bereit, alles in die Waagschale zu werfen“, betont der 34-Jährige – und weiß: „Das müssen wir unbedingt beibehalten. Wir müssen bei uns bleiben, ganz egal, was um uns herum passiert.“