Enttäuschung und Zufriedenheit sind zwei starke Emotionen. Seit jeher gehören sie fest zum Fußballgeschäft. Je nach Ergebnis, Tabellenplatz und Leistung variieren sie stark, schließen sich in der Regel aber gegenseitig aus. Ist ja auch klar: Wer enttäuscht ist, kann selten zufrieden sein – und umgekehrt. So betrachtet, hat der SV Werder Bremen am Samstagnachmittag ein kleines Kunststück vollbracht.
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Nach dem souveränen 4:1-Erfolg beim 1. FC Heidenheim, der den Abschluss der Bundesligasaison 2024/25 markierte, präsentierten sich Bremer Profis und Verantwortliche im stimmungstechnischen Schwebezustand. In die allgemeine Zufriedenheit mit dem sehr guten Resultat der Saison (51 Punkte, Tabellenplatz acht) mischte sich eine gehörige Portion Enttäuschung, weil allen Beteiligten klar war: Dieses Spieljahr war fraglos stark, hätte aber definitiv noch besser sein können. Zum ganz großen Wurf fehlen in der Abschlusstabelle schließlich nur zwei Pünktchen.
Die hätten ausgereicht, um als Tabellensechster ins Ziel zu kommen und in der neuen Spielzeit an der Conference League teilnehmen zu dürfen. Darüber freut sich jetzt der 1. FSV Mainz 05. „Natürlich hoffst du, dass bei 51 Punkten am Ende etwas herauskommt“, sagte Werders Sportchef Clemens Fritz, nahm sogar das Wort „bitter“ in den Mund, hielt insgesamt aber fest: „Wir können mit der Saison zufrieden sein.“ Ein Blick auf die nackten Zahlen untermauert das, zweifellos.
Seit sechs Jahren hat der SV Werder nicht mehr so viele Punkte in der Bundesliga gesammelt, geht nun mit einer Serie von acht Pflichtspielen ohne Niederlage in die Sommerpause – und zudem als drittbeste Auswärtsmannschaft der gesamten Liga. Unter Cheftrainer Ole Werner haben die Bremer einmal mehr besser abgeschnitten als im Vorjahr. „Wir haben immer gesagt, dass wir uns weiterentwickeln wollen, und das haben wir auch in diesem Jahr wieder geschafft“, betonte Fritz. Wohlgemerkt mit vergleichsweise begrenzten Mitteln. Denn sportlich schneidet die Mannschaft als Achter deutlich besser ab als im Ranking der Kadermarktwerte, in dem Werder Platz zwölf belegt – hinter Vereinen wie Stuttgart, Wolfsburg und Gladbach, die in der Bundesliga-Tabelle unter den Bremern stehen.
„Heute überwiegt ein positives Gefühl“, sagte Trainer Werner nach dem 4:1 in Heidenheim, das Romano Schmid (14./Foulelfmeter) Jens Stage (33.), Marvin Ducksch (66.) und Keke Topp (86.) bei einem Gegentreffer von Luca Kerber (80.) herausgeschossen hatten. Werner räumte aber auch ein: „In der letzten Woche war die Enttäuschung über das Verpassen der internationalen Plätze spürbar.“
Beste Hinrunde seit 13 Jahren
Das 0:0 gegen RB Leipzig hatte alle Bremer Europa-Hoffnungen vor dem letzten Spieltag begraben. Verspielt wurde das internationale Geschäft aber viel früher – nämlich während des rabenschwarzen Frühjahrs, als Werder vier Liga-Pleiten aneinanderreihte und zwischenzeitlich gegen Drittligist Arminia Bielefeld aus dem DFB-Pokal flog. „Unsere Hinrunde war die beste seit 13 Jahren“, hielt Kapitän Marco Friedl fest, „und auch in der Rückrunde haben wir solide gespielt“. Entscheidende Einschränkung: „Bis auf diese fünf Wochen, die uns unter dem Strich das internationale Geschäft gekostet haben.“ Jens Stage, mit zehn Treffern bester Bremer Torschütze der Saison, sieht es genauso: „Mit etwas Glück hätten wir es nach Europa schaffen können, aber leider hatten wir diese Schwächephase.“ In Heidenheim wurde deutlich, dass Werder sie nun für sich umdeuten, aus ihr Kraft und Erfahrung ziehen möchte.
„Natürlich haben wir uns über den Februar unheimlich geärgert“, sagte Fritz. „Der war wirklich sehr schlecht.“ Danach sei die Mannschaft aber in beeindruckender Manier zurückgekehrt: „Riesenkompliment, wie sie den Turnaround geschafft hat. Das war nicht selbstverständlich. Von außen hieß es ja schon, dass die Saison für uns gelaufen ist und es um nichts mehr geht.“ Werder ließ sich davon nicht beirren und will diesen Spirit nun möglichst über den Sommer hinaus konservieren, was angesichts des bevorstehenden personellen Umbruchs eine Herausforderung werden dürfte.
„Wir haben an den richtigen Schrauben gedreht und es gut gemacht. Darauf können wir aufbauen“, sagte Kapitän Friedl, ehe sich in die Zufriedenheit des Österreichers dann doch wieder eine Spur Enttäuschung mischte: „Wir wissen aber auch, dass wir solche Schwächephasen wie in der Rückrunde beiseitelegen müssen.“