Zum 103. Mal in der Bundesliga-Geschichte findet am Sonnabend das Duell Werder gegen den HSV statt. Für Werder geht es um mehr als drei Punkte: Das Spiel wird auch Wegweiser für die nächsten Wochen sein.
Woran Felix Wiedwald merkt, dass das Nordderby ansteht? Dafür reicht ihm in diesen Tagen ein Blick auf sein Handy. Vermehrt bekommt er zurzeit Kurzmitteilungen auf sein Handtelefon geschickt, manchmal ein paar Sätze nur, manchmal aber sind auch kleine Filmchen und Videos angehängt. Immer verbunden mit einer klaren Botschaft: Es ist Nordderby-Zeit, und bitte Felix, bitte lieber SV Werder, holt gegen den HSV drei Punkte.Ein paar Lieblingsspiele hat er auch, ihm fallen spontan die Pokalduelle während der verrückten Derbywochen ein. Zu der Zeit war er selbst noch Torwart der zweiten Mannschaft und damit nur im erweiterten Profikader. Aber dass Werder im April und Mai 2009 binnen 19 Tagen vier Mal auf den HSV traf und sich damals sowohl im DFB-Pokal als auch im Uefa-Cup durchsetzte, das gefällt Felix Wiedwald sechs Jahre später immer noch.

Torwart Felix Wiedwald macht sich fit fürs Duell, das früher schon einmal von einer Papierkugel geprägt wurde.
Genau darüber hatte eine Stunde zuvor auf der Pressekonferenz auch Werder-Trainer Viktor Skripnik referiert. Natürlich: Das Nordderby ist das Spiel, in dem 2009 eine aufs Feld geworfene Papierkugel maßgeblich den Spielausgang bestimmte. Das Nordderby hat Bilder für die Ewigkeit geschaffen: Tim Wiese, wie er mit einem Kung-Fu-Tritt dem Hamburger Ivica Olic entgegenfliegt. Zlatko Junuzovic, wie er im Frühjahr 2014 per Hackentrick das Siegtor schoss. Noch einmal Tim Wiese, wie er im DFB-Pokal-Halbfinale während der besagten Derbywochen drei Elfmeter abwehrte und hinterher mit ausgebreiteten Armen durchs Stadion rannte. Das Nordderby, das sind Erinnerungen an die Duelle großer Trainer, Thomas Schaaf und Otto Rehhagel auf der einen, Ernst Happel und Branko Zebec auf der anderen Seite. Deshalb tun Siege gegen den Rivalen aus der Nachbarschaft ja auch immer besonders gut.

Aus seiner Sicht gibt es Gründe dafür. Da ist zum einen der Faktor Zeit. „Die Zeit ist der beste Doktor“, sagt Skripnik, „fünf Tage sind seit Wolfsburg rum, es wird besser bei allen.“ Sehr zufrieden ist er auch mit dem Engagement beim Training, schränkt allerdings ein: Auch vor dem Wolfsburg-Spiel habe man eine gute Trainingswoche gehabt. Deshalb: „Die Prüfung ist am Samstag um halb vier.“ Dafür muss Skripnik einen Spagat hinkriegen. Er muss seine Spieler heiß machen für dieses Spiel, er muss aber gleichzeitig dafür sorgen, dass keiner überdreht.
Vielleicht macht man es am besten so wie Felix Wiedwald im September 2014. Da stand der damals 24-Jährige – noch im Trikot von Eintracht Frankfurt – unmittelbar vor seinem Bundesliga-Debüt. Gegner: der HSV. Seine Gefühlslage: aufgeregt. Seine Leistung: „durchschnittlich“, wie er heute findet. Aber über allem stand das Ergebnis: 2:1 gewonnen. So darf es nach Wiedwalds Willen gern wieder ausgehen.
Sicherheitsvorkehrungen sind hoch
Das Spiel ist ausverkauft. Die Sicherheitsvorkehrungen sind hoch. Es wird zu gründlichen Kontrollen beim Einlass ins Weserstadion kommen. Das Nordderby stellt – zwei Wochen nach dem Terror von Paris und der Länderspielabsage von Hannover – eine große Herausforderung für den Veranstalter und die Ordnungskräfte dar. „Wir sind aber vorbereitet“, sagt Werders Geschäftsführer Thomas Eichin, der „nicht mehr und nicht weniger in Sorge ist“ als bei früheren Duellen mit dem HSV. Gleichzeitig appelliert die Geschäftsführung an die Vernunft der Zuschauer. Und Pressesprecher Michael Rudolph empfiehlt: „Da das Spiel ausverkauft ist, lohnt es sich nicht, ohne Karte zum Stadion zu kommen.“