Dieser Auftritt vom tobenden und dann resignierenden Florian Kohfeldt am Spielfeldrand wird wahrscheinlich in keinem Saisonrückblick des SV Werder Bremen fehlen – es war ein besonderer Moment in einem besonderen Heimspiel gegen den FC Schalke 04. Denn dieses 1:1 gegen den Tabellenletzten offenbarte zum einen, wie schwierig diese Saison für den Fast-Absteiger aus dem Vorjahr mit seiner jungen Mannschaft ist, zum anderen aber auch, wie gut das Kollektiv die Situation letztlich meistert. Kohfeldt sparte zwar anschließend angesichts der katastrophalen Leistung vor der Pause nicht mit Kritik, er schützte dabei aber gleichzeitig auch seine jungen Spieler – und sich selbst.
„Das war nicht die Marschroute. Wir wollten anders spielen, aber es hat nicht geklappt“, betonte Kohfeldt nach der Partie ausdrücklich und verbat sich jeden Vergleich zum Augsburg-Heimspiel. Vor zwei Wochen hatte Werder den Gästen das Spiel komplett überlassen, um dann in Halbzeit zwei zuzuschlagen und 2:0 zu gewinnen. Gegen Schalke sah das ähnlich aus – und wirkte gegen einen verunsicherten Tabellenletzten völlig unangemessen. Warum einen Gegner, der am Boden liegt, mit 75 Prozent Ballbesitz stark machen? Doch Kohfeldt hatte nach eigenen Angaben etwas ganz Anderes im Sinn gehabt, er wollte die Schalker regelrecht überfallen. Dazu fehlte vor allem den jungen Spielern diesmal allerdings der Mut. „Wir haben keine Pressing-Auslöser gefunden. Unser Timing und die Abstände zwischen Mittelfeld-Kette und den Stürmern haben nicht gestimmt. Und wenn wir Bälle gewonnen haben, haben wir sie wahnsinnig hektisch wieder weggegeben. Das war nicht gut, das war wirklich schlecht“, analysierte Kohfeldt erst noch ganz allgemein, sprach dann aber das Grundproblem des Nachmittags schon etwas deutlicher an: „Heute sind in der ersten Halbzeit nahezu alle nicht an ihr Limit gekommen und einige sogar weit davon weg gewesen. Das können wir nicht auffangen.“
Schutz für die jungen Spieler
Gemeint waren damit vor allem drei Spieler: Manuel Mbom, Felix Agu und Romano Schmid – also die jungen Wilden, die in den vergangenen Wochen mit ihren Auftritten so viel Spaß gemacht hatten. Doch diesmal ging bei ihnen nach ordentlicher Anfangsphase plötzlich gar nichts mehr. Am deutlichsten war das bei Mbom zu sehen, der fast jeden Ball verlor. Kohfeldt wollte ihn Mitte der ersten Halbzeit schon auswechseln, schickte Kevin Möhwald zum Aufwärmen – und beließ es dann bis zur Pause bei einer ungewöhnlichen Umstellung auf dem Platz: Mittelfeldmann Mbom tauschte mit Stürmer Schmid die Positionen. „Die Aufgabe war für Manu dort einen Tick leichter“, erklärte Kohfeldt und meinte zu seinem Wechsel-Verzicht: „Ich wollte heute keinen zum Sündenbock machen.“
Der Schutz der jungen Spieler ist dem Coach extrem wichtig. „Keiner von den Dreien hat sich heute auch nur im Ansatz rausgespielt. Ich stehe total hinter ihnen. Wenn man immer danach schreit, diesen Weg mit jungen Spielern zu gehen, dann muss man akzeptieren, dass Konstanz das größte Qualitätsmerkmal ist. Und die kann ja noch gar nicht da sein.“ In Summe sei es eben eine Qualitätsfrage. Vor allem, wenn so viele junge Spieler gleichzeitig auf dem Platz stehen. Denn in Josh Sargent war da noch ein erst 20-Jähriger, der ebenfalls große Probleme hatte und nach gut einer Stunde runter musste.
Doch Kohfeldt wollte unbedingt das Positive im Negativen herausstellen. Letztlich hätten die jungen Wilden mit ihren guten Auftritten in den Vorwochen dafür gesorgt, dass arrivierte Profis wie Ludwig Augustinsson, Kevin Möhwald, Milot Rashica und Yuya Osako zunächst nur auf der Bank gesessen und nach Verletzungspausen oder einem Formtief nicht wie früher automatisch gespielt haben. „Eine Luxussituation“ nannte Kohfeldt die Möglichkeit, zur Pause Augustinsson, Möhwald und Rashica bringen zu können und später dann auch Osako, um das an diesem Tag überforderte Quartett zu ersetzen.
Und siehe da: Plötzlich spielte Werder nach vorne, drängte vehement auf den Ausgleich. Behielt dabei aber trotzdem die defensive Stabilität, ließ quasi keinen Konter zu. Schon in der ersten Halbzeit hatte die Defensivarbeit gut funktioniert, war der Führungstreffer von Omar Mascarell (38.) eine der wenigen Chancen der optisch klar überlegenen Gäste gewesen. Die Bremer wirkten da nach der Pause wesentlich zielstrebiger, erarbeiteten sich gute Möglichkeiten. Einziges Manko: Es gab nur diesen einen, allerdings sehr schön von Osako und Rashica herausgespielten Treffer von Kevin Möhwald (76.). Das viel umjubelte 2:1 von Maximilian Eggestein in letzter Sekunde wurde dagegen vom Video-Assistenten zu Recht wieder einkassiert.
So blieben andere Bilder in Erinnerung – die von Rumpelstilzchen Kohfeldt, der in der 22. Minute am Spielfeldrand getobt und jeden Spieler namentlich angeschrien hatte. „Ich wollte sie noch mal wach kriegen.“ Doch der 38-Jährige merkte schnell, dass es nicht ging, verzog sich auf die Bank und schützte damit sich und sein Team vor noch deutlicheren Worten. Die folgten dann in der Kabine – inklusive der personellen Umstellungen.
Das Ergebnis war am Ende mit dem 1:1 nicht top, aber zumindest okay. „Wenn man unten nicht reinrutschen will, darfst du so ein Spiel nicht verlieren“, sagte Kohfeldt. Und weil die meisten Konkurrenten eben verloren haben, sieht es in der Tabelle sogar besser aus als vorher. Werder steht als Elfter mit 22 Punkten gut geschützt vor der Abstiegszone und kann sich beruhigt dem DFB-Pokal-Achtelfinale am Dienstag gegen Zweitligist SpVgg Greuther Fürth widmen.