Das Internet vergisst nichts, diese mahnenden Worte lernte schon die erste Generation der Nutzer. Die jungen Fußballstars von heute wissen damit in der Regel gut umzugehen, auch wenn das Internet mit seinen sozialen Medien nerven kann. Wie bei Nationalspieler Florian Wirtz, der halt Kartoffeln mag, aber den Rummel über seinen Spruch „normale Kartoffeln auf die 1“ nicht mehr hören kann. Auch von Werders neuem Angreifer Keke Topp gibt es ein Video im Netz, das Potenzial zum Kult birgt. Es stammt aus seiner Zeit beim FC Schalke 04 – und die lustige Szene wirft zumindest ein paar Fragen auf, wie es wirklich um die Heimatverbundenheit des Rückkehrers bestellt ist, der in der Jugend etliche Jahre für Werder stürmte.

Grün auf Weiß ist die Werder-Kolumne des WESER-KURIER, in der Chefreporter Jean-Julien Beer einen Blick hinter die Kulissen des Bremer Traditionsvereins wirft, Zusammenhänge erklärt und Entwicklungen einordnet.
Man sieht Keke Topp in dem Video in einem Ratespiel mit seinem Schalker Kollegen Lino Tempelmann. Der eine zeigt dem anderen ein Foto – und dann muss erraten werden, um was es geht. Zum Beispiel: Der eine zeigt ein Foto vom Eiffelturm, der andere sagt „Paris“. Schwierigkeitslevel: eher niedrig.
Und dann nimmt Tempelmann ein Foto der Bremer Stadtmusikanten und hält es dem Kollegen Topp vor die Nase. Dessen überraschende Antwort: „Keine Ahnung.“ Das Foto wird zur Seite gelegt. Dem jungen Topp dämmert nun, dass er sich da einen kleinen Bock geleistet hat. „Das ist doch Bremen, oder?“, ruft er zweimal und fasst sich an den Kopf. Aber sicher ist er sich noch immer nicht. Er grübelt, die Hände vorm Gesicht. Er hebt das Foto mit den Stadtmusikanten hoch und fragt den Moderator: „Was ist das?“ Der antwortet: „Bremen.“ Topp reagiert leicht beschämt: „Wie kann ich meine Heimatstadt vergessen?“ Sein Gegenüber Tempelmann spottet: „Digger, das ist doch peinlich.“
Mit seiner Statur eine seltene Erscheinung
Die gute Nachricht für Keke Topp, der im Jahr von Werders Doublegewinn 2004 in Bremervörde geboren wurde und dann bis zur U19 neun Jahre lang in Bremen für den SVW spielte: In seinem zweiten Anlauf an der Weser kann er dafür sorgen, dass sein Bremen nicht am Osterdeich aufhört. Es gibt noch so viel mehr zu sehen in dieser schönen Stadt. Und wenn man die Vorfreude vieler Werder-Fans als Maßstab nimmt, dann könnte Keke Topp selbst zu einer Attraktion werden: Der Rückkehrer wird gefeiert, die Neugier auf den Stürmer ist jedoch auch deshalb groß, weil es – bisher – keine spektakuläreren Neuverpflichtungen bei Werder gab.
Die zwei Millionen Euro Ablöse, die an Schalke flossen, scheinen gut investiert: Der 1,92 Meter große Stürmer ist mit seiner Statur eine seltene Erscheinung unter jungen Angreifern, entsprechend froh ist Trainer Ole Werner, nach der Ära Niclas Füllkrug wieder einen Mann dieser Art im Kader zu haben, der als Zielspieler mit dem Rücken zum Tor die Bälle festmachen kann, der Gegner bindet sowie Räume für die Nebenleute schafft. Jedoch: Man muss Topp Zeit geben, in diese Rolle hinein zu wachsen.
Seine Bundesligaerfahrung beschränkt sich auf 19 Minuten, als er im April 2023 mal bei einer Schalker Niederlage in Hoffenheim eingewechselt wurde. Topp ist ein junger Profi, im März wurde er 20 Jahre alt. Und es ist erst wenige Monate her, da schien er nicht reif für den Männerfußball: Im Januar verlor Schalke im Abstiegskampf der zweiten Liga mit 1:4 in Kaiserslautern. Topp stand überraschend in der Startelf, doch er ging gegen die zupackende Abwehr auf dem Betzenberg gnadenlos unter. Danach gab es auf Schalke Überlegungen, Topp an einen Drittligisten auszuleihen, damit er Wettkampfhärte erlernt. Doch im Laufe der Rückrunde kam Topp besser im Zweitliga-Alltag an, am Ende durfte er sich über fünf Saisontore freuen.
Mit seiner Verpflichtung verbindet Werder die Hoffnung, dass er sich auch in der Bundesliga durchsetzen kann. Doch das wird ein Prozess, der von allen Beteiligten Geduld erfordert. Von Topp selbst, wenn er mal nicht spielt. Von den Fans, wenn er nicht stark spielt. Und vom Verein, um ihm den Rücken zu stärken. Topp kann auf dem Feld noch nicht die Rolle eines Füllkrug spielen, er muss erst lernen, seinen Körper in der Bundesliga entsprechend einzusetzen. Schon am ersten Spieltag in Augsburg würden, wenn Topp denn spielt, robuste Abwehrkanten auf ihn warten, deren Abgezocktheit und Härte er nur vom Hörensagen kennt. An den ersten Spieltagen geht es auch gegen Dortmund und Bayern. Seine 16 Tore (in 26 Spielen) in der U19 Bundesliga West zeugen davon, dass Topp neben seiner körperlichen Stärken auch Torjägerqualitäten besitzt. Sein bis 2028 gültiger Vertrag bei Werder bietet nun Zeit, das in der Bundesliga auf den Rasen zu bringen.