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Werder-Kolumne Die zweite Wahrheit bei Woltemade

Nick Woltemade und Werder Bremen – eine Geschichte, die mehr Fragen aufwirft, als sie beantwortet. Doch es war gut, dass Werder bei den Verhandlungen kein Risiko eingegangen ist, meint Jean-Julien Beer...
03.04.2024, 16:35 Uhr
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Die zweite Wahrheit bei Woltemade
Von Jean-Julien Beer

Man kann die Geschichte von Werder und Nick Woltemade so erzählen, wie sie gerade populär ist: Dass der Verein eines seiner großen Talente ablösefrei verliert, ihm nicht die richtige Perspektive bieten konnte und damit ein Bremer Junge seinen Herzensverein verlässt. Nach der Saison ist die Zeit des 22 Jahre alten Angreifers bei Werder vorbei – und viele Fans empfinden das als schlechte Nachricht, gerade jetzt, wo nach den Niederlagen ohnehin schon wieder schlechte Stimmung aufkommt.

Man kann die Geschichte aber auch anders erzählen, denn es gibt noch eine andere Wahrheit. Was sich hinter den Kulissen abspielte, war deutlich entfernt von der fußballromantischen Version des Bremer Jungen, der dankbar dafür ist, bei den Profis seines Vereins spielen zu dürfen. Am Dienstag nach Ostern sollte Woltemade von Werder das beste Vertragsangebot seiner bisherigen Karriere bekommen, darauf hatten sich alle Seiten vor einer Woche verständigt.

Obwohl Werder sich in mehreren Verhandlungsrunden finanziell bereits gestreckt hatte, so hört man es aus dem Verein, wäre man bereit gewesen, in einem allerletzten Schritt das Angebot noch einmal zu verbessern. Das soll das Ergebnis eines guten Gesprächs gewesen sein, das Trainer Ole Werner und Fußballchef Clemens Fritz vor Ostern mit Woltemade führten. Doch so zuversichtlich Trainer und Manager waren, so überrascht mussten sie kurz darauf feststellen, dass der Spieler das finale Angebot nicht abwartete, es noch nicht einmal anschaute. Wie abrupt Woltemade die Vertragsgespräche mit Werder beendete, lässt erahnen, wie gut das Angebot des VfB Stuttgart sein muss. Es ging hier wohl doch um Geld. Und nicht um grün-weiße Liebe.

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Das ist der Punkt, an dem man Werder keinen Vorwurf machen darf: In 23 Spielen kam Woltemade diese Saison zum Einsatz. Der Angreifer hat dabei kein Tor geschossen und auch keines vorbereitet. In 41 Profispielen für Werder in der ersten und zweiten Liga hat Woltemade noch nie ein Tor geschossen, eins bereitete er mal vor: ein Tor von Davie Selke im Dezember 2020 bei einer Niederlage gegen Stuttgart. Bei solchen Quoten entscheidet im Profifußball gewöhnlich der Verein, und nicht der Spieler, dass es nach Vertragsende nicht weitergeht.

Werders Bemühungen um eine weitere Zukunft waren also kein Lohn für Leistungen auf dem Platz, sondern eher eine Wette auf die Zukunft: Dass der Knoten bei Woltemade noch platzt und er mal so viele Scorerpunkte beisteuert wie bei seinen Junioren-Länderspielen. Denn wenn es nicht gegen erwachsene Männer geht, schoss der knapp zwei Meter große Angreifer in 28 Spielen im DFB-Trikot sechs Tore. Auch das ist kein Spitzenwert, aber gepaart mit seinen technischen Fertigkeiten lässt es eine bessere Bundesligakarriere erahnen, als sie Woltemade bisher hinlegte.

Unübersehbar ist, was Woltemade fehlt: Durchsetzungsvermögen, Abschlussstärke und Kopfballspiel hat er in Werders Nachwuchsmannschaften zu wenig erlernt, jedenfalls sind ihm andere Jungprofis wie der ein Jahr jüngere Neu-Nationalspieler Maxi Beier (TSG Hoffenheim) weit voraus. Beier schoss in 26 Saisonspielen 13 Tore und bereitete sieben vor, er ist an 44 Prozent der Hoffenheimer Treffer beteiligt. Woltemade bei Werder an null.

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Deshalb war es für die Hygiene in der Mannschaft wichtig, Woltemade nicht in die Kategorie eines Spitzenverdieners zu heben und sich nicht hochpokern zu lassen. Wirtschaftliche Vernunft muss bei Werder das Handeln bestimmen. Nur außergewöhnliche Leistungen dürfen außergewöhnlich honoriert werden. Das Leistungsprinzip außer Kraft zu setzen, wäre unvernünftig gewesen.

Natürlich tut es weh, einen selbst ausgebildeten Spieler ablösefrei zu verlieren. Das hätte Werder vor ein oder zwei Jahren bei der Vertragsgestaltung verhindern können, zum Beispiel durch eine Klausel, wonach sich der Vertrag nach 20 Einsätzen in einer Saison automatisch verlängert.

Wenn Woltemade woanders durchstartet, wäre das bitter. Aber: Das muss ihm erst gelingen. Wer nicht bei Werder spielen will, muss bei einem besseren Klub erst einmal glücklich werden. Dass Werders Angriff schwächer wird, wenn der ablösefreie Woltemade durch den ablösefreien Neuzugang Marco Grüll (schon elf Saisontore für Rapid Wien) ersetzt wird, ist nicht zu erwarten. Spannend wird, wie oft Woltemade bis Saisonende noch spielt, wenn alle Angreifer wieder fit sind. Ohne Tore und Vorlagen nützt er Werder nicht viel. Ihn für andere Vereine zu schmieden, ist weder Ole Wernes Auftrag, noch seine Art.

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