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Werder-Kolumne Mit welcher neuen Stärke Pavlenka überrascht

Über die Leistungen von Torhüter Jiri Pavlenka können Fans leidenschaftlich diskutieren. Oft heißt es: Überragend mit den Händen, schwach mit dem Fuß. Jetzt entstand eine neue Qualität, meint Jean-Julien Beer.
21.02.2023, 17:42 Uhr
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Mit welcher neuen Stärke Pavlenka überrascht
Von Jean-Julien Beer

Unter den Bundesligavereinen kursiert eine interessante Statistik. Nicht alle haben darauf Zugriff, weil manche der 18 Erstligisten nicht mit dem entsprechenden Datenanbieter zusammenarbeiten. Die Trainer und Manager kennen diese Zahlen aber natürlich trotzdem, weil die Werte so ungewöhnlich sind, dass man automatisch darüber diskutiert. Denn nach einem Jahrzehnt, in dem die mitspielenden Torhüter Manuel Neuer und Yann Sommer die Bundesliga mit ihrem Stil prägten, sortiert diese Statistik die Torhüter nach einer anderen Qualität, die für viele Mannschaften in ihrem Liga-Alltag inzwischen wertvoller scheint: Es geht um die langen Pässe, die von den Torhütern aus dem Spiel heraus gespielt werden – und um die Frage, wie viele davon auch wirklich ankommen.

Die erste Überraschung: Der fünffache Welttorhüter Neuer rangiert nach der Hinrunde in diesem Ranking nur auf dem neunten Platz, sein fußballerisch starker Nachfolger bei den Bayern, der Schweizer Yann Sommer, schaffte es im Trikot von Borussia Mönchengladbach nur auf Rang 15. Ein Stück weit ist das auch dem anspruchsvollen Spielaufbau ihrer Mannschaften geschuldet, gerade die Bayern spielen gerne mit vielen kurzen Pässen von hinten heraus. Die Werte zeugen aber auch davon, dass die kleineren Klubs wie Bochum oder Werder sich etwas haben einfallen lassen, um spielstärkere Gegner möglichst effektiv zu überspielen: Torwart Manuel Riemann, am Wochenende mit Bochum nächster Gegner von Werder, führt diese Hinrundenstatistik der Bundesligatorhüter mit großem Vorsprung an. Der Bremer Jiri Pavlenka rangiert auf einem beachtlichen siebten Platz – und vor prominenten Torhüterkollegen wie Kevin Trapp (Frankfurt), Gregor Kobel (Dortmund) oder Lukas Hradecky (Leverkusen).

Zuletzt zwei Tore so vorbereitet

In konkreten Zahlen liest sich das so: Riemann spielte in der Hinrunde sagenhafte 187 dieser langen Bälle, die beim eigenen Mitspieler ankamen. Bei Pavlenka waren es immerhin gute 58. Zum Vergleich: Trapp (25) oder der Kölner Marvin Schwäbe (43) brachten deutlich weniger lange Pässe zum Mitspieler. Auch in der Rückrunde war das bei Werder schon ein erfolgreiches Mittel: Die letzten zwei Bremer Tore fielen sogar beide nach einem langen Pass des Torhüters aus dem Spiel heraus. Beim 2:0-Sieg in Stuttgart schlug Pavlenka den Ball jeweils weit nach vorne auf Niclas Füllkrug, der legte gekonnt ab auf die Torschützen Jens Stage und Marvin Ducksch.

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Hier erkennt man die intensive Trainingsarbeit mit den Torhütern in Bremen. Vor ein paar Jahren noch hätte Pavlenka diese Bälle nicht so spielen können. Während der Saisonvorbereitung, nach dem Aufstieg, konnte man den Entwicklungssprung erahnen: Es gab Testspiele, da klappte fast jeder Ball, den Werders Torwart von hinten über Gegner hinweg spielte. Offen war aber, ob das auch gegen starke Gegner in der Bundesliga funktioniert.

Inzwischen kann man sagen: Treffer dieser Art sind bei Werder kein Zufall, sondern gewollt. Das liegt einerseits am nicht so spielstarken Mittelfeld, aber auch an Werders Innenverteidigern, die eher zögerlich in der Spieleröffnung agieren. Da kommt dann Pavlenka ins Spiel: Werder spielt den Ball manchmal so lange in der eigenen Fünfer-Abwehrreihe hin und her, dass nicht nur die Zuschauer das langweilig finden, sondern im Idealfall auch die Gegner. Wenn die dann attackieren, um den Ball zu erobern, wird der Rückpass zu Pavlenka gewählt – der den Ball entweder über die Angreifer in den freien Raum spielt oder gleich weit nach vorne in den sogenannten Zehnerraum, also zentral vor den gegnerischen Strafraum. Dort wartet Füllkrug, der körperlich und technisch stark genug ist, diese Bälle anzunehmen und zu verteilen.

Der Plan hat auch zwei Tücken

Einige Male hat das in dieser Saison schon geklappt. Zwei Tücken hat der Plan aber: Bleiben die langen Bälle aus und Füllkrug lauert zu lange vergeblich vorne im Zehnerraum, wird er unruhig. Er würde sich freuen, wenn Werder öfters auch andere, mutige und spielerische Lösungen nach vorne finden würde. Der zweite Haken: Wenn Pavlenka den Ball nach dem Rückpass nicht unter Kontrolle bringt oder zu gewagt spielt, entsteht schnell Gefahr vor dem eigenen Tor. Auch diese Slapstick-Nummern erlebten die Zuschauer bei Werderspielen in dieser Saison schon einige Male. Damit zieht sich Pavlenka schnell den Unmut der Zuschauer zu, was er aber durch herausragende Paraden (wie gegen Dortmund) ausgleicht.

So lange sich Werder kein Mittelfeld leisten kann, dessen Stärken im Spielerischen liegen, ist die nun erprobte Variante mit dem langen Ball des Torhüters ein gutes Mittel, um schnell ins letzte Angriffsdrittel zu kommen. Auch Milos Veljkovic kann so einen Ball an guten Tagen präzise spielen, an sehr guten Tagen hat es auch Marco Friedl schon gezeigt.

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