Wenn sich die neuen Aufsichtsräte des SV Werder treffen, wird es schnell um Sportchef Frank Baumann gehen. Dessen Vertrag als Geschäftsführer läuft am Ende der Saison aus, der alte Aufsichtsrat hatte sich nicht getraut, eine längerfristige Entscheidung in dieser heiklen Personalie zu treffen. Nun drängt schon bald die Frage, wer bei Werder die nächste Saison plant. Wieder Baumann – oder holt man doch den Umbruch auf der Managerposition nach? Trotz des Abstiegs hatte Werder das bisher verweigert.
Wie Baumann manchmal tickt, konnten die neuen Aufsichtsräte während der Mitgliederversammlung erleben. Es war 13.40 Uhr, also noch früh an diesem langen Tag, als der Sportchef einen dieser Sätze sagte, die seine Zuhörer ratlos zurücklassen. Es ärgere ihn maßlos, sagte Baumann, dass in vielen Medien in der Aufzählung der Zugänge Spieler wie Niklas Schmidt, Michael Zetterer und Abed Nankishi nicht berücksichtigt würden. Das habe wohl nicht ins negative Bild gepasst, das von Werder gezeichnet werde.

GRÜN AUF WEISS ist die Werder-Kolumne des WESER-KURIER, in der Chefreporter Jean-Julien Beer einen Blick hinter die Kulissen des Bundesligisten wirft, Zusammenhänge erklärt und die Entwicklungen im Verein einordnet.
Man könnte nun loben, dass Baumann endlich eine Art Offensivverteidigung antritt. Aber: doch bitte nicht mit Schmidt und Zetterer! Es war doch Baumann, der am 10. Juni verkündete: „Für die neue Saison ist Niklas Schmidt bei uns nicht eingeplant.“ Man suche mit dem Berater und dem Spieler eine Lösung. Bis Trainer Markus Anfang den 23-Jährigen, der seit 2012 in Werders Jugend spielte und immer als großes Talent galt, mal ausprobierte – und zum Stammspieler machte. Und Zetterer? Der Torhüter ist schon seit Winter in Bremen. Und sein Konkurrent Jiri Pavlenka hätte längst seinen Vertrag verlängert, wenn es nach Baumann ginge.
Kommunikation ist auch nach fünf Jahren an der Werder-Spitze noch ein Problem des früheren Kapitäns Baumann. Extrem zeigte sich das beim Fortschicken der Ikone Thomas Schaaf und der Trennung von Florian Kohfeldt.
Auf dem Transfermarkt gut gepokert
Es wäre aber unfair, Baumann nur danach zu beurteilen. Denn er leistete zuletzt auch gute Arbeit: beim Verkauf von Spielern. In einem schwierigen Markt pokerte er erfolgreich. Als Eintracht Frankfurt 6,5 Millionen Euro für Josh Sargent bot, ließ das Baumann trotz der Bremer Not kalt; einige Wochen später bot Norwich City acht Millionen – und zahlte am Ende sogar 10,5 für Sargent.
Auch für Milot Rashica boten die Engländer anfangs acht Millionen und akzeptierten dann elf. Ähnlich lief es bei Ludwig Augustinsson, für den der FC Sevilla nur zwei Millionen zahlen wollte, hier standen am Ende 4,5 Millionen im Vertrag. Bei Maxi Eggestein zahlte der SC Freiburg statt der zunächst gebotenen vier dann knapp sieben Millionen. In allen Transferverträgen ließ sich Werder variable Bonuszahlungen festschreiben, die bei Erfolgen der Spieler fällig werden. Auch eine Beteiligung am Weiterverkauf handelte Baumann aus. Und bei keinem Spieler, der Werder ablösefrei verließ (zum Beispiel Kapino), musste Werder eine Abfindung dazugeben.

Die Bilanzen des SV Werder Bremen im Verlauf der Jahre.
Das war eine starke Manager-Leistung. Zur Wahrheit gehört aber auch der Blick in die Vergangenheit: Bei Milot Rashica verzichtete Baumann 2019 und 2020 bewusst auf eine Rekord-Ablöse jenseits der 27 Millionen, die Juventus 2010 für Diego zahlte. Geld, das Werder heute fehlt. Überhaupt muss der Sommer 2019 von den Aufsichtsräten angeschaut werden, um über Baumanns Zukunft zu entscheiden.
Damals herrschte bei Werder Euphorie wegen des nur knapp verpassten Europapokals. Topscorer Max Kruse suchte dennoch ablösefrei das Weite. Alle Pläne der Sportlichen Leitung, ihn zu ersetzen, gingen schief. Stattdessen sprach Baumann intensiv mit dem Aufsichtsrat, den Geschäftsführern und den Banken, um sieben bis zehn Millionen Euro für punktuelle Verstärkungen ausgeben zu können – diese aber erst nach der neuen Saison zu bezahlen (in der Erwartung von Europacup-Prämien oder einem Rekordverkauf). Alle ließen sich überreden. Und alles endete in der zweiten Liga. Zwei der Spieler, die damals kamen, stehen heute noch teuer auf der Gehaltsliste, Leo Bittencourt und Ömer Toprak.
Ein weiterer Kritikpunkt, damals wie heute: Fast alle Werder-Neuzugänge kamen zuletzt aus der Bundesliga, es gibt wenig Fantasie bei Transfers. Im Grunde bräuchte man dafür keine Scoutingabteilung. Ob der aus Frankreichs zweiter Liga geholte Roger Assalé Werder besser macht, deutet sich noch nicht an.
Es gibt also nicht nur Schwarz oder Weiß bei Baumanns Arbeit, sondern auch viel Grau. Zu viel Grau? Das muss der Aufsichtsrat beantworten.