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Werder-Kolumne Der lange Schatten der String-Tanga-Affäre

Rein sportlich ist Werders Mitchell Weiser ein Kandidat für den Kader der deutschen Nationalmannschaft. Das Talent dazu hatte er schon immer. Doch dann ging einiges schief, meint Jean-Julien Beer.
13.02.2023, 18:29 Uhr
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Der lange Schatten der String-Tanga-Affäre
Von Jean-Julien Beer

Was haben Bayern-Star Jamal Musiala und Werders Mitchell Weiser gemeinsam? Beide haben in den 15 Hinrundenspielen bis zur WM in Katar sechs Tore vorbereitet und belegen einen vorderen Platz unter den Vorlagengebern der Bundesliga. Was haben sie nicht gemeinsam? Musiala gehört zum Stamm der deutschen Nationalmannschaft, Weiser bisher trotz starker Leistungen im Werder-Trikot nicht mal zum erweiterten Kader.

Ob sich daran vor der Europameisterschaft 2024 etwas ändert, hängt auch davon ab, wie schnell Weiser nach seiner Sprunggelenksverletzung wieder spielt. Wenn Bundestrainer Hansi Flick die Tür für den Bremer öffnet, dann wird er es im Rahmen der Testländerspiele Ende März gegen Peru und Belgien machen. Flick hat nach dem WM-Debakel angekündigt, in diesen Spielen auch überraschende Alternativen auszuprobieren.

Weiser wäre mit seinen 28 Jahren eine solche Überraschung, ähnlich wie Niclas Füllkrug vor der WM. Der Zeitpunkt für eine Nominierung wäre auch deshalb günstig, weil die Gefahr einer Blamage gering ist: Schlechter als die letzten DFB-Spieler auf der rechten Außenbahn kann es der Bremer nicht machen. Wenn Flick einen Spieler sucht, der lieber gut spielt, als schlau daherredet, ist er bei Weiser jedenfalls nicht falsch. Das gilt auch für die Spielweise: Ermüdendes Quergeschiebe ist nicht Weisers Ding, lieber mit Risiko nach vorne.

Es wäre das späte Debüt eines einst Hochbegabten. Weiser durchlief viele Junioren-Nationalteams des DFB, von der U16 bis zur U21, bei der er mit Spielern wie Leroy Sané und Joshua Kimmich die Stammelf bildete. Die Krönung: Diese U21 wurde 2017 Europameister. Weiser schoss das 1:0-Siegtor im Finale gegen Spanien.

Der junge Weiser lernte das Fußballspielen in der Jugend des 1. FC Köln, sein Vater Patrick machte über 200 Spiele für Köln und Wolfsburg und war Co-Trainer bei den Profis des FC. Für Kölner Fans damals eine verhängnisvolle Kombination: Denn als der Vater bei den Profis entlassen wurde, verließ kurzerhand auch Sohn Mitchell als A-Jugendlicher den Verein in Richtung FC Bayern. Rund 800.000 Euro zahlte der Rekordmeister – plus Bonuszahlungen. Eine dieser Zahlungen führte dazu, dass der damalige FC-Geschäftsführer Alex Wehrle bei einem Abendessen im November 2013 in einem Kölner Restaurant einen Jubelschrei ausstieß. Er hatte im Liveticker gesehen, dass die Bayern den jungen Weiser gerade in der Champions League eingesetzt hatten. 

Das war eine spektakuläre Zeit für Weiser. Sein Trainer hieß Pep Guardiola. Bei seinem zweiten Startelfeinsatz spielte er gegen Werder Bremen und gewann mit 5:2. Weiser stand dabei mit Größen wie Boateng, Ribery und Götze in der Anfangself. Die rechte Bremer Seite, heute Weisers Revier, beackerte noch Clemens Fritz. Es ist langer her.

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Doch in jene Zeit fällt auch eine Geschichte, die Weisers Image in der Branche prägte. Eine Jugendsünde. Oder besser: Ein Beispiel, wie Social Media in die Hose gehen kann. Weiser postete im Februar 2015 ein Beinahe-Nackt-Foto von sich und David Alaba, beide nur mit einem String-Tanga bekleidet. Der Wirbel in München war groß. Viele Affären haben die Bayern durchgestanden, darunter Pizza- und Watschn-Affären. Die von Weiser ist die String-Tanga-Affäre.

Trotz starker Leistungen danach im Trikot von Hertha BSC und Bayer Leverkusen ließ Jogi Löw immer die Finger von ihm. Vielleicht auch, weil Weiser sein Image in einem Kicker-Interview 2019 zementierte: „Deutschland will angepasste Profis. Wer mal etwas macht oder sagt, was von der Norm abweicht, wird attackiert.“

Auch in der Pandemie stand Weiser lange ungeimpft im Abseits der Branche. Leverkusen wollte ihn nur noch loswerden. Er war in der Versenkung verschwunden. Das wird in Werders Dazn-Doku deutlich. Bei Werder diskutierten die Verantwortlichen, wann Weiser eigentlich zuletzt mal gespielt habe. Und der Spieler selbst sagte nach dem Anruf aus Bremen: „Ich dachte schon, mich will gar keiner mehr.“

Dass Weiser mit seinem Impfstatus keine Chance auf ein Katar-Ticket hatte, war klar. Solche Risiken hatte Flick nach leidvollen Erfahrungen für seinen Kader ausgeschlossen. Inzwischen könnten Trainer und Spieler von einer Nominierung profitieren. Für das legendäre String-Tanga-Foto hat sich Weiser oft genug entschuldigt.

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