In diesen Tagen gibt es viele strahlende Gesichter beim SV Werder Bremen. Kein Wunder nach zwei Siegen in Folge. Nur der Blick auf die Tabelle macht keinen Spaß. Der Absteiger hat die Hinrunde als Neunter beendet – das ist für einen Club mit dem laut „transfermarkt.de“ immer noch wertvollsten Kader der 2. Liga eigentlich eine große Enttäuschung. Andererseits beträgt der Abstand zu Platz drei und damit zur Relegation nur drei Punkte, was den Aufstiegstraum nach einer Hinrunde mit vielen Hindernissen weiterleben lässt. Clemens Fritz blickt als Leiter Profifußball beim SV Werder im Gespräch mit unserer Deichstube zurück und nach vorne, wenn auch nicht ganz so weit.
„Diese zwei Siege tun natürlich gut. Wir haben einen ordentlichen Weg eingeschlagen, aber wir sind insgesamt natürlich nicht mit unserem bisherigen Abschneiden zufrieden. Wir haben Ambitionen, die sicherlich über einem Platz im Mittelfeld der Tabelle liegen“, betont Fritz. Doch mehr möchte der Ex-Profi über die Tabelle nicht sprechen, schon gar nicht über die Abstände nach oben und die daraus resultierenden Chancen: „Ich bin kein Freund davon, jede Woche irgendwelche Rechenspiele anzustellen.“
Aber natürlich wird er wissen, dass es ausgerechnet der Nordrivale Hamburger SV ist, der mit drei Punkten mehr als Werder Rang drei belegt. Darmstadt hat als Tabellenzweiter sechs Punkte Vorsprung auf die Bremer, Spitzenreiter FC St. Pauli sogar neun. Nächste Woche kann sich das allerdings am letzten Spieltag des Jahres noch ändern – und darauf setzt offenbar auch Fritz: „Wir haben ja im Sommer gesagt, dass wir aufgrund der großen Unwägbarkeiten im Kader erst im Winter wissen, wo wir stehen. Erst dann können wir ein realistisches Ziel formulieren. Das werden wir intern tun und dann möglicherweise auch verkünden.“
Mit einem Sieg am Sonntag gegen Hannover könnte Werder, wenn es optimal läuft, auf Platz vier springen. Da würde es mit der allgemeinen Zufriedenheit sicherlich anders aussehen als jetzt auf Platz neun. Der Blick in den Rückspiegel wird aber so oder so immer für ein Kopfschütteln sorgen. „In der Hinrunde war viel Unruhe, es gab viele Störfaktoren. Wir wussten zwar, dass es durch die besondere Transferphase nach unserem Abstieg nicht einfach wird, aber auch danach kehrte durch verschiedene Dinge eigentlich nie Ruhe ein“, erinnert Fritz zum Beispiel an den Bremer Sommer-Schluss-Verkauf. Beim Liga-Auftakt gegen Hannover 96 standen noch Maximilian Eggestein, Yuya Osako und Josh Sargent in der Startelf, Johannes Eggestein wurde eingewechselt. Wenig später waren alle weg – genauso wie Milot Rashica, Ludwig Augustinsson und Kevin Möhwald. Im Gegenzug wurden sechs Spieler verpflichtet – mit einem Marvin Ducksch als Toptransfer an der Spitze. Das wiederum sorgte bei Niclas Füllkrug für Frust, der fortan nur noch Joker war. Es knirschte im und um das Team herum, der damalige Coach Markus Anfang eckte nicht nur bei Füllkrug an. Die Stimmung war mehr als durchwachsen – und nach dem 0:3-Desaster in Darmstadt auf dem Tiefpunkt, als Füllkrug für einen Kabinen-Zoff mit seinem Vorgesetzten Fritz sorgte. Der Stürmer durfte drei Tage nicht trainieren, seitdem trifft er wie in besten Zeiten.
Es wurde aber noch unruhiger – mit der skandalösen Impfpass-Affäre von Markus Anfang. Der Trainer und sein Assistent Florian Junge traten zurück. Interimscoach Danijel Zenkovic fiel nach nur einem Spiel wegen einer Corona-Infektion aus, dafür sprang U 19-Coach Christian Brand ein, der für seine eigenwillige Taktik bei der 1:2-Niederlage in Kiel gleich mal einen öffentlichen Rüffel von Füllkrug bekam. Immerhin war da schon Ole Werner im Anflug – der neue Coach. „Ole strahlt eine gewisse Ruhe und Klarheit aus, die der Mannschaft guttun“, lobt Fritz – wie vor ihm schon die Spieler – den neuen Mann an der Linie. Es wirkt wie eine glückliche Fügung. Werner, so ist es von vielen Seiten zu hören, passt besser zu Werder als Anfang.
Noch ist das allerdings nur ein Gefühl. Bislang lief auch alles bestens. Zwei Spiele, zwei Siege. Wobei der jüngste Erfolg in Regensburg schon eine bemerkenswerte Symbiose von spielerischer Klasse und leidenschaftlichem Einsatz war. „Die Mannschaft hat sich gefunden und die Liga angenommen“, meint Fritz. Das sei die große Herausforderung in dieser turbulenten Hinrunde gewesen. Dazu hätten viele junge Spieler ihre Chance bekommen. „Das ist sehr wichtig für den Club“, betont der 40-Jährige: „Wir haben eine gute Mischung von Führungsspielern und jungen Spielern.“ Daran soll sich im Winter nichts ändern. „Aber wir müssen auch die wirtschaftliche Lage im Blick haben. Gibt es ein konkretes Angebot für einen Spieler, werden wir uns damit seriös beschäftigen“, gesteht Fritz, fügt aber sogleich an: „Wir müssen keinen Spieler verkaufen.“