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Werder-Kolumne Warum Hansi Flick nach Bremen schauen sollte

Es gibt gute Gründe für die WM-Diskussionen um Bremens Niclas Füllkrug. Der Bundestrainer kann mit dem Werder-Torjäger nicht viel falsch machen, meint Jean-Julien Beer. Es wäre eine spektakuläre Wendung...
03.10.2022, 16:27 Uhr
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Warum Hansi Flick nach Bremen schauen sollte
Von Jean-Julien Beer

Dieses Wochenende waren es in Bremen 19 Grad, was für Niclas Füllkrug eine nützliche Information sein könnte. Denn: Im Emirat Katar werden die Stadien bei der Weltmeisterschaft durch Klimaanlagen auf eben solche 19 Grad gekühlt. Die Spieler sollen nicht zu sehr schwitzen, während es draußen auch mal 51 Grad heiß sein kann.

Wahrscheinlich wäre Füllkrug aber auch bei 51 Grad bereit, Tore zu schießen, wenn man ihn denn zur WM mitnehmen würde. Er tickt da von seiner robusten Mentalität her anders als manch verwöhnter Fußballstar. Eigentlich braucht er nur einen Ball und das Vertrauen des Trainers – wo das Stadion dann steht, ist nebensächlich, ob nun in Aue, in Dortmund oder halt in der Wüste.

Dass Füllkrug überhaupt als Kandidat für den WM-Kader gehandelt wird, ist eine spektakuläre Wendung. Vor einem Jahr war er davon weit entfernt. Nach Werders Abstieg traf er in der zweiten Liga unter Trainer Markus Anfang wochenlang gar nichts und verlor seinen Stammplatz. Nach einem Streit mit Clemens Fritz wurde er sogar für ein paar Tage suspendiert. Erst Ende Oktober schoss er sein erstes Saisontor, am 11. Spieltag in Sandhausen – was eigentlich schon stark nach Wüste klang.

Ein Jahr später ist Füllkrug nicht nur der treffsicherste deutsche Stürmer mit sieben Toren in acht Spielen. Er führt auch die Torjägerliste der Bundesliga an: Wo viele Jahre die Haalands und Lewandowskis rangierten, grüßt nun der Bremer von Platz 1.

Die „Füllkrug für Deutschland“-Rufe sind da nur logisch. Und das Thema ist keineswegs abwegig. Im Prinzip steht der Angriff von Bundestrainer Hansi Flick zwar mit den hoch dekorierten Kai Havertz, Timo Werner, Thomas Müller, Leroy Sané oder Serge Gnabry. Auch Jonas Hofmann hat sich dort festgespielt. Doch es gibt zwei Lücken, die für Füllkrug die Tür zu WM offenhalten: zum einen die Verletzung des Dortmunder Angreifers Marco Reus, zum anderen die Suche nach einem Mann für gewisse Momente.

Wird Reus nicht fit, wird sein Platz im Kader frei. Wegen der Pandemie erlaubt der Weltverband FIFA diesmal einen größeren Kader, mit 26 statt 24 Spielern. Einen dieser Plätze möchte Flick mit jemandem besetzen, den er einwechseln kann, wenn Deutschland dringend ein Tor braucht. Ein Spieler, der zentral den Strafraum besetzt und dort Flanken verwertet. Das kann Füllkrug zweifellos, das beweist er jedes Wochenende.

Werders Torjäger bringt viele Qualitäten mit, und wäre er nicht so oft schwer verletzt gewesen, hätte er schon längst eine Karriere in der Nationalmannschaft starten können. Vor vier Jahren klopfte Füllkrug schon mal ans Tor des DFB-Teams. Damals wollte Borussia Mönchengladbach 20 Millionen Euro für ihn bezahlen, doch dann verletzte er sich erneut bei seinem Klub Hannover 96.

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Sein erster Treffer beim 5:1 gegen eben diese Gladbacher war technisch anspruchsvoll, er verwertete die Hereingabe mit dem Innenrist. Kopfballstark ist Füllkrug auch, vor dem Tor, aber auch als Zielspieler für lange Bälle. Er ist einer der stärksten Doppelpass-Partner bei Werder und auch gut beim vorletzten Pass: Seine Spielverlagerungen öffnen Räume und fordern den Gegner. Gegen Gladbach gehörte er nun obendrein zu den zweikampfstärksten Spielern.

Es deutet also nichts darauf hin, dass sich Flick mit Füllkrug ein zweiten Fall Marvin Plattenhardt einhandeln würde. Bei der letzten WM 2018 in Russland stand der Außenverteidiger gegen Mexiko (0:1) überraschend in der Startelf, wurde aber von seinen Mitspielern sicherheitshalber gemieden. Der arme Plattenhardt hatte mehr Ballkontakte, als er bei der Heim-WM 2006 als Balljunge in Stuttgart dem Franzosen Zinedine Zidane die Kugel zuwerfen durfte.

Der große Ottmar Hitzfeld befand einst: „Gute Fußballer werden durch gute Mitspieler noch besser.“ Das würde auch für Füllkrug im DFB-Team gelten. Von Uli Hoeneß stammt der Klassiker: „The trend is your friend.“ Der Trend spricht klar für Füllkrug.

Bei der letzten EM war der Freiburger Christian Günter der Überraschungs-Nationalspieler. Manche unkten, dass Jogi Löw damit seine ständigen Aufenthalte im Breisgau als Spesen beim DFB rechtfertigen wollte. Hansi Flick wurde lange nicht mehr im Weserstadion gesichtet. Dabei könnte er hier jemanden sehen, der sich nach schwersten Verletzungen wieder nach oben gekämpft hat. Und Tore schießt er auch. Bei jedem Wetter.

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