Jiri Pavlenka dürfte demnächst hohen Besuch bekommen. Ivan Hasek ist nämlich aktuell in Reiselaune. Und das muss er auch sein. Der 60-Jährige ist neuer Nationaltrainer Tschechiens und hat im Vorfeld der nahenden Fußball-Europameisterschaft in Deutschland einiges zu tun. Er will sein Team kennenlernen, die Spieler, die im kommenden Sommer ein gutes Turnier spielen sollen. Deswegen besucht er diverse Vereine und sollte auch beim Torhüter des SV Werder Bremen vorstellig werden – schließlich ist Pavlenka zuletzt die Nummer eins der tschechischen Auswahl gewesen. Doch nicht nur durch den Trainerwechsel ist dieser Nimbus in Gefahr, sondern auch, weil der 31-Jährige bei Werder nur noch Reservist ist. Ein Ass hat Pavlenka aber noch im Ärmel, um den EM-Traum am Leben zu erhalten.
„Der Vorteil für Jiri Pavlenka ist, dass er und Torwart-Trainer Radek ?erný sich sehr gut kennen. Ich denke daher, dass er auch zur EM fahren wird, wenn er nur die Nummer zwei bei Werder bleibt“, meint Jan Maly im Gespräch mit unserer Deichstube. Der tschechische Journalist begleitet seit Jahren den Fußball in seiner Heimat, schaut ganz genau hin, wie sich auch die Legionäre schlagen. Folglich ist ihm nicht entgangen, dass Pavlenka während der Hinrunde nach einer Verletzung nur noch Bankdrücker ist. Weshalb Maly auch prognostiziert, „dass er nicht die Nummer eins während der EM sein wird, wenn er in Bremen nicht spielt. Das wäre dann wahrscheinlich Jind?ich Stan?k, der im Winter von Viktoria Pilsen zu Slavia Prag gewechselt ist.“
Noch wird das Torhüter-Thema in Tschechien relativ unaufgeregt betrachtet. „Das dürfte sich ändern, wenn sich die Spiele der Nationalmannschaft nähern“, glaubt Maly. Am 22. März steht das nächste Länderspiel an, in einem Test heißt der Gegner dann Norwegen. 21 Partien hat Pavlenka bislang für sein Land absolviert, letztmals durfte er im Oktober während einer 0:3-Niederlage gegen Albanien ran. Anschließend schaute er gegen die Färöer Inseln einmal zu, ehe seine Verletzung im November eine abermalige Reise zum Team verhinderte. Umso bedeutender ist nun der nächste Termin im Frühjahr.
Das dortige Debüt von Coach Ivan Hasek, der von 2009 bis 2010 schon einmal in fünf Partien als Interimslösung an der Seitenlinie des Nationalteams stand und auf den im November zurückgetretenen Jaroslav Silhavy folgte, wird mit Spannung erwartet. Es dürfte ein Fingerzeig in gleich mehrere Richtungen werden. Auch für Jiri Pavlenka. Nach aktuellem Stand wird der Keeper auch dann noch beim SV Werder unter Vertrag stehen. Erst kürzlich hatte Sportchef Frank Baumann auf Nachfrage unserer Deichstube erklärt: „Wir wollen ihn nicht abgeben, und er selbst ist auch nicht mit einem Wechselwunsch auf uns zugekommen.“ Und der 48-Jährige fügte an: „Ich gehe davon aus, dass er weiterhin bei uns um seine Chance kämpfen wird. Anfragen oder Angebote liegen uns nicht vor.“
Pavlenka unterstützt seinen Kollegen Zetterer
Bislang geht Jiri Pavlenka äußerst professionell mit seiner Degradierung in Bremen um. Glücklich ist er mit der Situation verständlicherweise nicht, lässt sich in den Trainingseinheiten am Osterdeich aber keineswegs hängen und unterstützt Michael Zetterer dort, wo er kann. Immer in der Hoffnung, dass er vielleicht doch bald wieder selbst zwischen den Pfosten gebraucht wird. „Als Torwart ist man im Fußball nun einmal in der Situation, dass immer nur einer spielen kann, auf dem Feld kann mehrmals gewechselt werden“, sagt im Gespräch mit unserer Deichstube einer, der es wissen muss: Dieter Burdenski. Werders Torhüter-Legende kennt allerdings vornehmlich die Sonnenseiten des Geschäfts, schließlich war er in seiner aktiven Zeit unumstritten. Noch heute ist der Ehrenspielführer mit exakt 444 Einsätzen Rekordspieler der Bremer. Allenfalls in der deutschen Nationalmannschaft musste er sich hinten anstellen, weil erst an Sepp Maier und später vornehmlich an Toni Schumacher einfach kein Weg vorbeiführte.
Nach seiner aktiven Zeit war Burdenski lange als Torwart-Trainer bei Werder aktiv, häufige Wechsel gab es auch damals bei den Schlussleuten nicht. Dass es ausgerechnet in dieser Spielzeit, in der sich Jiri Pavlenka eigentlich nichts zuschulden hat kommen lassen, einen Tausch gab, kann der 73-Jährige dennoch nachvollziehen. „Ich habe immer gesagt, dass sich die beiden Torhüter nicht viel nehmen. Keiner ist dem anderen überlegen“, urteilt Burdenski. „Deshalb hatte Michael Zetterer diese Chance verdient – und er hat sie bislang genutzt.“ Einen etwas anderen Blick auf die Sache hat David Jarolim. Der frühere Bundesliga-Profi des Hamburger SV und tschechische Nationalspieler arbeitet heute als Experte für „sport.cz“ und betont: „Ich muss sagen, dass mich Zetterer nicht überzeugt – und sicherlich nicht so, dass ich sagen würde, er sei besser als Jiri Pavlenka.“ Der 44-Jährige glaubt deshalb: „Wir werden es im Laufe des Frühlings sehen, aber ich denke, dass Jiri ins Tor zurückkehren wird. Manchmal ist eine solche Situation selbst für Torhüter, die schon lange die Nummer eins sind, Motivation. Sie kann zu besseren Leistungen verhelfen.“