24 A-Länderspiele hat Rafael Borré bisher für sein Heimatland Kolumbien bestritten. Und es ist stark davon auszugehen, dass schon sehr bald zwei weitere dazukommen. Für die WM-Qualifikationsspiele gegen Venezuela und Chile hat sich der Neuzugang des SV Werder Bremen vor einigen Tagen auf den Weg nach Südamerika gemacht, wo sein Name durchaus klangvoll ist, seit er im Jahr 2018 mit River Plate die Copa Libertadores gewann. In Kolumbien ist Borré eines der Gesichter des Nationalteams und natürlich hofft auch Werder, dass der Stürmer, der für ein Jahr von Eintracht Frankfurt ausgeliehen wurde, in der laufenden Saison eine tragende Rolle spielen kann.
Aber was ist dieser Rafael Borré für ein Fußballer, wo liegen seine Stärken, wo seine Schwächen? Die Experten von "Create Football", die weltweit Klubs, Agenturen und Medienhäuser in den Themenfeldern Datenscouting und -analyse beraten, haben sich den 27-Jährigen für unserer Deichstube einmal genauer angesehen.
Stärken:
- Pressing
- Defensivarbeit
- Offensivläufe
- Chancenkreation
Schwächen:
- Kopfball
- Chancenverwertung
- Passgenauigkeit
Spielstil: Rafael Borrés Auftrag in Bremen ist zunächst einmal klar: Er soll kurzfristig die Lücke schließen, die der Abgang von Niclas Füllkrug im Kader hinterlassen hat. In der vergangenen Saison war Borré bei Eintracht Frankfurt nur Stürmer Nummer zwei hinter dem Franzosen Randal Kolo Muani (jetzt Paris Saint-Germain) und kam nur auf sechs Ligaeinsätze, in denen er länger als 60 Minuten auf dem Platz stand. In der Serie 2021/2022 war der Neu-Bremer jedoch noch ein Frankfurter Schlüsselspieler auf dem Weg zum Europa-League-Triumph gewesen – nicht zuletzt wegen des entscheidenden Elfmeters, den er im Finale gegen die Glasgow Rangers nervenstark verwandelte. Mehr als die reine Torgefahr zeichnet den Stürmer allerdings seine hohe Intensität im Spiel gegen den Ball aus.
In der Saison 2021/2022 – welche aufgrund von Borrés knapp 2500 Spielminuten in der Bundesliga deutlich aussagekräftiger ist als die vergangene – führte er starke 30 Zweikämpfe pro 90 Minuten und gab als anlaufender Stürmer die Pressinghöhe an. Der Kolumbianer ist effektiv der erste Verteidiger seiner Mannschaft, besonders in der Balleroberung durch Gegenpressing-Aktionen ist er extrem effizient. Borré gewann von allen Bundesligastürmern die drittmeisten Bälle unmittelbar nach Ballverlust (2,5 pro 90 Minuten). Auch in der Chancenkreation weiß Borré zu gefallen. Er ist zwar nur selten der Spieler, der den finalen oder vorletzten Pass spielt, häufig lässt er sich aber ins Mittelfeld zurückfallen, um Gegner zu binden und zwischen den gegnerischen Linien entweder mit Steckpässen in die Tiefe für Torgefahr zu sorgen oder seinen Mitspielern mit progressiven Läufen Räume zu öffnen.
Borré spielt 76 Prozent aller ihm angebotenen Läufe an, muss am Timing seiner Pässe aber noch arbeiten, denn nur 58 Prozent dieser Bälle finden ihr Ziel, wodurch viel Torgefahr verloren geht. Borré ist im Gegensatz zu Füllkrug kein Stürmer, der im Strafraum auf Chancen lauert. Er ist aber dennoch häufig Abnehmer von Hereingaben, hat aufgrund seiner eher schmächtigen Statur (1,75 Meter, 69 Kilogramm) aber Probleme, sich gegen körperlich robuste Innenverteidiger durchzusetzen, und gewinnt daher nur 24 Prozent seiner 6,7 Kopfballduelle pro Spiel. Das ist der viertschwächste Wert der Liga.
Ebenfalls ausbaufähig ist Borrés Auftreten im gegnerischen Strafraum. Zwar kommt der Angreifer auf sehr gute 4,7 Ballaktionen im Sechzehner und kann sich mit dem Ball am Fuß auch unter Druck in den meisten Situationen behaupten, seine Chancenverwertung ist allerdings unterdurchschnittlich: Nur 16 Prozent seiner Abschlüsse finden letztendlich den Weg ins Tor.
Wie gut passt Rafael Borré zu Werder Bremen?
Rafael Borré ist ein ganz anderer Spielertyp als Niclas Füllkrug. Aufgrund seiner fehlenden Physis ist er kein Zielspieler, den man wie Füllkrug mit langen Bällen oder Flanken anspielen kann. Dementsprechend wird sich das Bremer Spiel mit Borré und Marvin Ducksch in einer denkbaren Doppelspitze verändern müssen, denn auch Ducksch ist im Luftzweikampf trotz seiner 1,88 Meter unterdurchschnittlich effizient.
Mit Borré in der Spitze wird Werders Spiel zwangsläufig an Vertikalität verlieren und passlastigerer werden, denn der neue Mann bewegt sich am liebsten in der Zone zwischen Strafraumgrenze und Mittellinie, ist selber an der Angriffsentstehung beteiligt und taucht häufig erst spät in der Box auf. In der Abschlusseffizienz kann Borré Füllkrug nicht das Wasser reichen – er benötigt ein Drittel mehr Torchancen als der zu Borussia Dortmund abgewanderte Nationalstürmer.
Borré glänzt dafür mehr mit intelligenten Läufen, flinken Richtungswechseln und einem extrem hohen Engagement gegen den Ball, was im intensiven Spielstil von Werder-Trainer Ole Werner sein größtes Plus sein wird. Ein 1:1-Ersatz für Torschützenkönig Niclas Füllkrug ist Rafael Borré also in keiner Hinsicht. Allerdings kennt er die Bundesliga bereits seit zwei Jahren und dürfte deshalb keine große Eingewöhnungszeit in Bremen benötigen. Viel wird am Ende von der Frage abhängen, wie gut (und schnell) es Trainer Werner gelingt, den neuen Stürmer ins Spiel zu integrieren. Zum bisherigen Werder-Stil, bei dem bevorzugt über die Außen Chancen kreiert werden, die dann ein abschlussstarker Stürmer im Zentrum verwerten soll, passt Rafael Borré jedenfalls nicht perfekt.