Vor ziemlich genau einem Jahr machte Werder Bremen einen gewaltigen Schritt Richtung Aufstieg. Das 4:1 auf Schalke verdrängte die letzten Restzweifel, was die Rückkehr in die Bundesliga betraf. Ein Jahr später kehrte Werder zurück in die Veltins-Arena – und diesmal fand das Spiel unter gänzlich anderen Bedingungen statt. Von der Leidenschaft, die Werder vor einem Jahr auszeichnete, war wenig zu spüren. Im Gegenteil: Die fußballerisch unterlegenen Schalker rangen Werder nieder.
Keine Überraschungen in der Bremer Aufstellung
Coach Ole Werner musste auch gegen Schalke 04 auf seinen besten Torjäger verzichten. Anstelle von Niclas Füllkrug startete Maximilian Philipp. Er bildete zusammen mit Marvin Ducksch den Doppelsturm innerhalb des Bremer 5-3-2-Systems. Ansonsten gab es auf Bremer Seite keine personelle Überraschung.
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Auch Schalkes Trainer Thomas Reis hielt an seinem System fest. Der frühere Coach des VfL Bochums favorisiert die 4-2-3-1-Formation. Schalkes defensive Vorgehensweise ähnelt der Taktik der Bremer: Auch die Königsblauen setzen auf eine enge Deckung und das Spiel Mann-gegen-Mann. Die Schalker Mittelfeldspieler verfolgen ihre Gegenspieler auf Schritt und Tritt. So gab es auf beiden Seiten viele direkte Duelle. Christian Groß duellierte sich mit Rodrigo Zalazar, Werders Doppelacht aus Leonardo Bittencourt und Jens Stage sah sich der Schalker Doppelsechs gegenüber.
Werder interpretierte die eigene Manndeckung in dieser Partie etwas defensiver als gewohnt. Die beiden Stürmer liefen die gegnerischen Innenverteidiger nur selten früh an. Die Außenverteidiger hielten sich ebenfalls zurück. Schalkes Viererkette durfte den Ball in der eigenen Hälfte laufen lassen. Dieses Vorgehen hatte Kalkül: Werder wollte Schalke das Spiel überlassen.
Werder mit schnellen Kontern
Schalkes Verteidiger bekleckerten sich im Spielaufbau nicht mit Ruhm. Sie wählten häufig den langen Ball. Besonders oft flog dieser auf die halbrechte Seite. Der Versuch, Kenan Karaman in den Raum hinter Marco Friedl zu schicken, ging nicht auf. Werder verteidigte die langen Bälle der Schalker routiniert.
Dabei half auch Christian Groß mit. Bereits beim 4:2-Sieg gegen Hertha hatte sich Werders Sechser häufig in die Abwehr fallen lassen. Als kopfballstarker Verteidiger half er, die langen Bälle des Gegners zu klären. Diese Idee ging auch gegen Schalke auf. Da die Schalker selten den Ball ins Mittelfeld wagten, konnte Groß den Raum vor der Abwehr preisgeben.
Während Schalke in der ersten halben Stunde kaum Torgefahr ausstrahlte, wurde Werder immer wieder gefährlich. Mit schnellen Pässen auf die Stürmer versuchten sie, nach Ballgewinnen die Unordnung in der Schalker Defensive auszunutzen. Der Führungstreffer zum 1:0 (18.) unterstrich, dass die Bremer über mehr Spielstärke verfügen als Mitaufsteiger Schalke: Nach einem Einwurf kombinierte sich Werder mit wenigen flachen Pässen bis vor das gegnerische Tor. Gut zu erkennen war bei diesem Treffer der typische Laufweg von Rechtsverteidiger Mitchell Weiser: Er zog diagonal ins Zentrum, bot sich in der Sturmspitze an und schuf damit eine Lücke für Ducksch auf der halbrechten Seite.
Werder kontert nicht mehr
Nach dem eigenen Führungstreffer zog sich Werder noch weiter zurück. Zwischen der 30. und 80. Minute lag der Schalker Ballbesitz bei nahezu 65%. Werders Motto: Wir verteidigen tief und lauern auf Konter! In der ersten Halbzeit ging diese Idee auf. Schalke fiel wenig ein, außer den Ball an die Grundlinie zu passen und Flanken zu schlagen. Diese wurden für Werder nur selten gefährlich.
Nach der Pause jedoch funktionierte der Bremer Matchplan nicht mehr reibungslos. Schalke wusste nun mehr mit dem eigenen Ballbesitz anzufangen. Sie suchten nicht mehr ständig den Weg an die Grundlinie, sondern versuchten, über die Halbräume direkt in die Strafräume zu gelangen. Vor allem Zalazar spielte sich in den Vordergrund: Als Zehner wich er häufig aus, suchte Freiräume, unterstützte die Kollegen auf den Flügeln. Groß begann mit der Zeit, seine Bewegungen wieder intensiver zu verfolgen.
Vor allem aber gelang es Werder in dieser Phase nicht mehr, für Entlastung zu sorgen. Schalke spielte durchaus riskant: Die Außenverteidiger schoben weit vor, die Sechser ließen sich ebenfalls nicht in die letzte Linie fallen. Schalke sicherte eigene Angriffe mit zwei Verteidigern ab, verteidigte gegen Werders Doppelsturm also Mann gegen Mann. Doch Werders Konterversuche versandeten bereits im Ansatz. Die Bremer Passgenauigkeit lag nach der Pause bei 67%. Bei insgesamt 23 versuchten Dribblings kamen Werders Angreifer nur viermal am Gegenspieler vorbei.
Schalker Mut der Verzweiflung gegen Bremer Lethargie
Schalke wurde von Minute zu Minute gefährlicher. Zehn Schüsse gaben sie nach der Pause ab. Hinzu kamen sieben Ecken, deren Qualität sich im Laufe des Spiels steigerte. Als Reis mit seinem Dreifachwechsel in der 74. Minute die Viererkette auflöste, signalisierte er: Alle Mann nach vorne! Schalke griff fortan im 3-4-1-2 an.
Spätestens nun wäre die Chance für Werder da gewesen, mit Kontern das Spiel zu entscheiden. Selbst als Schalke nach dem Ausgleichstreffer (81.) weiterhin auf das defensiv enorm offene 3-4-1-2 setzte, spielte Werder die Bälle zu überhastet in die Spitze. Hinzu kam, dass Werner bis zum Schluss am eigenen 5-3-2-System festhielt, obwohl auf der Bank keine Stürmer saßen. So musste Niklas Schmidt (77., für Philipp) im Sturm aushelfen – eine Position, die ihm merklich nicht lag. Eine Umstellung auf ein 3-4-3-System hätte Werder geholfen, das eigene Pressing zu verbessern gegen Schalkes Dreierkette.
Schalke biss weiter, kämpfte sich fest. Werder vergab die beste Chance durch Ducksch – und musste in der Nachspielzeit den Treffer zum 1:2 hinnehmen. Werder verpasste es, gegen die riskante Absicherung der Schalker die entscheidenden Konter zu setzen. Auch die Strategie, sich immer weiter zurückzuziehen, spielte den Schalkern in die Karten. So war die Rückkehr auf Schalke in diesem Jahr nicht der richtungsweisende Sieg für Werder – sondern für Gegner Schalke, der damit die Chance auf den Klassenerhalt wahrt.

Die Grafik zeigt, wie Schalke und Werder Bremen im Mittelfeld Mann-gegen-Mann gespielt haben.
Die Grafik zeigt, wie beide Mannschaften im Mittelfeld Mann-gegen-Mann gespielt haben. Groß stand gegen Zalazar, Bittencourt und Stage duellierten sich mit Kral und Krauß. Vorne störten die Bremer weniger aggressiv als sonst: Die beiden Stürmer hielten sich zurück, auch die Bremer Außenverteidiger schoben nur selten vor, um die gegnerischen Außenverteidiger zu attackieren.