Airbus zieht die Reißleine. Nach wochenlangen Personalspekulationen und Gezerre hinter den Kulissen leitet Europas größter Luftfahrtkonzern einen umfassenden Führungswechsel ein. Der gestaffelte Doppel-Abgang des deutschen Konzernchefs Tom Enders und des französischen Verkehrsflugzeug-Chefs Fabrice Brégier lässt viel Raum für Interpretation.
Medien hatten von einem Machtkampf der beiden Topmanager gesprochen. Hintergrund der derzeitigen Turbulenzen sind Korruptionsermittlungen, die zu hohen Geldstrafen für Airbus führen könnten. „Der Konzern steht vor einer dreifachen Krise, ethisch, strategisch und beim Management“, schrieb die Zeitung „Le Monde“.
Wie sehr es rumorte, lässt sich an einem Satz ablesen, mit dem Enders kürzlich auf wachsenden Druck reagierte: „Die Entscheidung über meine Zukunft als CEO von Airbus wird nicht von der französischen Presse oder der französischen Regierung oder irgendeiner Regierung getroffen“, sagte der 58-Jährige.
Der als „Major Tom“ bekannte frühere Fallschirmjäger steht seit 2012 an der Spitze des Luftfahrt- und Rüstungskonzerns. Während sein Abschied 2019 nun wie ein regulärer Wechsel zum Vertragsende aussehen könnte, erscheint der kurzfristige Ausstieg Brégiers als der heftigere Einschnitt. Er wird laut der Entscheidung des Verwaltungsrats im Februar sein Amt niederlegen.
Spätestens, seit der Franzose zur Nummer zwei des Konzerns mit 134.000 Mitarbeitern aufstieg, galt er als Kronprinz und möglicher Nachfolger von Enders. Noch am Donnerstag hatte er in einem Interview angedeutet, dass er den „Top-Job“ nicht ablehnen würde, wenn man ihn denn frage. Doch dann kam alles anders, Brégier wird nun im Februar zurücktreten.
Interne und externe Suche nach Kandidaten für Chefposten
Ob sich der bisherige Hubschrauber-Chef Guillaume Faury als Nachfolger Brégiers im Verkehrsflugzeug-Geschäft auch für den Posten an der Konzernspitze warmlaufen soll, ist Spekulation. Offiziell sucht Airbus intern und extern nach Kandidaten für den Chefposten.
Die üblicherweise gut informierte Enthüllungszeitung „Le Canard Enchaîné“ hatte Anfang November kolportiert, der französische Präsident Emmanuel Macron wolle einen Landsmann an die Spitze bringen. Und das „Handelsblatt“ hatte berichtet, Macron wolle wieder mehr Staatseinfluss im Airbus-Verwaltungsrat durchsetzen – etwas, wogegen Enders sich stets gewehrt hatte.
Airbus bleibt ein politisch heikles Thema, Deutschland und Frankreich halten jeweils 11,1 Prozent der Anteile. In französischen Medien werden der frühere Chef von Air France-KLM, Alexandre de Juniac, und Thales-Chef Patrice Caine als mögliche Kandidaten für die Enders-Nachfolge gehandelt. De Juniac führt derzeit den internationalen Airline-Verband IATA.
Nachfolger könnte neuen Aufbruch verkörpern
Doch eine französische Doppelspitze dürfte in Deutschland für Unmut sorgen. Für die Veränderungen habe man eine Menge Zeit, hatte Airbus-Verwaltungsratschef Denis Ranque jüngst gesagt. Eine weitere Frage ist nun, wo Airbus im Hinblick auf den Korruptionsverdacht nach den 16 Monaten steht, die Enders noch an der Spitze bleibt.
Die Vorwürfe betreffen Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit externen Beratern im Verkehrsflugzeug-Geschäft. Falls es dem Deutschen noch gelänge, Deals mit der britischen Anti-Korruptionsbehörde SFO und der französischen Finanzstaatsanwaltschaft auszuhandeln, um die Untersuchungen gegen Zahlen einer Geldbuße einzustellen, könnte ein Nachfolger neuen Aufbruch verkörpern.