Der Aufschrei in Deutschland über den „Sanierungszwang“, wie er im Volksmund mittlerweile abfällig genannt wird, klingt auch in Brüssel nach. So sorgt die neue Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden weiterhin für Furore, nachdem sich die EU-Abgeordneten kürzlich für strengere Anforderungen im Gebäudesektor ausgesprochen hatten.
Kritikern, insbesondere aus dem christdemokratischen Lager, gehen die Pläne zu weit. Sie befürchten eine finanzielle Überforderung der Hauseigentümer. Doch jetzt nichts zu tun, schade den Bürgern, entgegnete der Sprecher der deutschen Grünen im EU-Parlament, Rasmus Andresen. Gerade Menschen mit niedrigem Einkommen würden von Modernisierungen am meisten profitieren, so der Europapolitiker. Gleichwohl dürften sie nicht „die Rechnung für die Sanierung“ zahlen müssen. Stattdessen sollten seiner Meinung nach die EU und die Mitgliedstaaten einspringen.
Finanzierung aus Klima-Sozialfonds
Das Geld soll seinem Plan zufolge aus dem neuen europäischen Klima-Sozialfonds stammen. Aber reicht das? Andresen forderte nun gegenüber dieser Zeitung „eine Verdopplung des Volumens auf 173 Milliarden Euro“ – und appellierte an die Brüsseler Behörde sowie an die deutsche Bundesregierung, im Rahmen der Überprüfung des mehrjährigen EU-Haushalts den Weg freizumachen.
Mit dem Fonds, der Teil des „Fit für 55“-Pakets ist, will die Gemeinschaft die finanziellen Belastungen der Energiewende für schutzbedürftige Verbraucher abfedern. Die geplanten rund 86 Milliarden Euro sollen Ausgaben für Verbraucher, etwa steigende Heizkosten oder Investitionen in effizientere Gebäude, abfangen. Der Klima-Sozialfonds sei hierfür „ein gutes Instrument“, so Rasmus Andresen, „aber momentan noch zu knapp bemessen“. Schätzungen der Kommission zufolge sind in der EU mehr als 34 Millionen Menschen von Energie-Armut betroffen.
Konkret verlangte das EU-Parlament mit einer breiten Mehrheit, dass auf einer Skala von „A“ bis „G“ bis 2030 alle Wohnimmobilien mindestens die Energieeffizienzklasse „E“ erreichen und bis 2033 der Klasse „D“ angehören. Die Forderungen der Abgeordneten reichten weiter als die Vorschläge der Kommission. Die Modernisierungswelle soll dazu beitragen, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen, denn laut Angaben der Behörde entfallen 40 Prozent des Energieverbrauchs und rund 36 Prozent der CO2-Emissionen auf Gebäude. Obwohl es zahlreiche Ausnahmen, etwa für denkmalgeschützte Häuser, geben soll und auch wenn finanzielle Hilfen für die Bürger vorgesehen sind, ist insbesondere in Deutschland ein Streit um die Kosten entbrannt. Er dauert seit Wochen an. Die Europäische Union müsse „endlich zeigen, dass sie auch für sozialen Ausgleich sorgt“, meinte Andresen. „Wir dürfen nicht riskieren, dass sich die Menschen im Stich gelassen fühlen – weder mit den Folgen des Klimawandels noch bei den Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels.“