Seit Jahren gehören die russischen Forschungseisbrecher zu den Stammgästen in Bremerhaven. Ob zum Bunkern, Ausrüsten oder für Reparatur- und Wartungsarbeiten: Der Zwischenstopp an der Außenweser ist bei vielen Schiffen der russischen Forschungsflotte fest eingeplant. Doch damit könnte es bald vorbei sein: Die Europäische Kommission hat den EU-Mitgliedsländern als Reaktion auf mutmaßliche Gräueltaten russischer Soldaten in der ukrainischen Stadt Butscha ein fünftes Sanktionspaket vorgeschlagen. Es beinhaltet neben einem Importverbot für Kohle auch eine Sperrung von europäischen Häfen für russische und von Russland kontrollierte Schiffe.
Genau zum Zeitpunkt der Beratungen legte am Mittwoch der russische Forschungseisbrecher „Akademik Tryoshnikov“ einen kurzen, geplanten Zwischenstopp in Bremerhaven ein. Es könnte sich dabei um den zunächst letzten Anlauf eines russischen Schiffes in Bremerhaven handeln, sollte das Sanktionspaket der EU umgesetzt werden. Auf dem rund 8500 Seemeilen langen Rückweg aus der Antarktis nach Nordeuropa machte der Forschungseisbrecher zur Bebunkerung und Proviantübernahme an der Columbuskaje in Bremerhaven fest. Schon am Donnerstagmittag verließ das Schiff die Seestadt mit Kurs auf den Heimathafen St. Petersburg.
Das derzeit modernste russische Polarforschungsschiff wurde vor zehn Jahren in St. Petersburg auf der Admiralitätswerft gebaut und ist in den vergangenen Jahren mehrfach von anderen internationalen Forschungsinstituten wie dem Alfred-Wegener-Institut (AWI) aus Bremerhaven und dem Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel für Fahrten in die Arktis und Antarktis gechartert worden. Wie es sich nun angesichts der Boykotte und Sanktionen mit den nächsten Forschungseinsätzen des 133 Meter langen und 23 Meter breiten Schiffes verhält, ist unklar.
Zuletzt war die „Akademik Tryoshnikov“ im Bereich der russischen Antarktisstation „Bellinghausen“ auf der Insel King George tätig. Dort erfolgten ein Wechsel der Überwinterungsmannschaft und die logistische Versorgung der Station mit Lebensmitteln, Treibstoff und Ersatzteilen. Über die südafrikanische Hafenstadt Kapstadt, die am 15. März verlassen wurde, nahm der zivile Forschungseisbrecher Kurs auf Nordeuropa.
Flaggschiff der Polarforscher
Mit dem Forschungseisbrecher „Akademik Federov“ gehört die „Akademik Tryoshnikov“ zu den Flaggschiffen der russischen Polarforscher. So ist der stählerne Schiffsrumpf eisverstärkt, um Eisdicken von einem Meter zu brechen. Durch die große Kapazität der Treibstofftanks hat das Schiff eine Reichweite von rund 15.000 Seemeilen. Außer den rund 60 nautischen und technischen Crewmitgliedern können bis zu 80 Wissenschaftler an Bord genommen werden. Außerdem führt die „Akademik Tryoshnikov“ zwei Bordhubschrauber des Typs Kamov KA-32 mit. Der Hauptantrieb des für das russische Arctic and Antarctic Research Institute (AARI) fahrenden Schiffes besteht aus drei Wärtsilä-Motoren mit einer Gesamtleistung von 16.800 Kilowatt (kW), sodass die Geschwindigkeit in der offenen See rund 16 Knoten beträgt; bei einer Eisdicke von einem Meter soll die „Akademik Tryoshnikov“ noch mit zwei Knoten vorankommen.