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Made in Bremen Wohltemperiert in die Welt

Ob Medizin oder Mittagsessen: Die Verpackungsspezialisten von Ecocool aus Bremerhaven liefern ihre Produkte an die Pharmaindustrie oder Lebensmittelbranche. Und das Geschäft mit den Hüllen wächst.
01.01.2022, 16:41 Uhr
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Von York Schaefer

Im Büro von Florian Siedenburg steht sie noch, die janusköpfige Skulptur mit den zwei Gesichtern, die gleichsam nach vorne und zurück, in die Zukunft und in die Vergangenheit blicken. 1999 erhielt sein Vater Heinrich Siedenburg das Kunstwerk des Bremerhavener Gründerpreises, nachdem er im selben Jahr das Unternehmen Ecocool für Verpackungs- und Isolierkonzepte gegründet hatte. „Das war damals wichtig für die Firma, da der Preis mit 100.000 Mark sehr gut dotiert war und so die ersten Jahre abgesichert hat“, erinnert sich Siedenburg junior, der seit 2015 das Unternehmen leitet.

Der 42-Jährige, präsente Stimme, raspelkurze Haare und Fünftagebart, ist ein Mann der ehrlichen Worte. Realistische Selbsteinschätzung und Selbstbewusstsein schließen sich bei dem promovierten Volkswirt nicht aus. „In den ersten Jahren krepelte die Firma so vor sich hin“, berichtet er ganz offen, die ursprüngliche Produktidee hatte es nicht an den Markt geschafft. 

Der Name Ecocool war es dann aber, der letztlich doch das Interesse von Firmen weckte, die temperaturkontrollierte Güter und Waren versenden wollten. So hat sich das Geschäft mit Kunden vor allem aus der Pharma- und Lebensmittellogistik sowie aus der Bauchemie einige Zeit nach der Unternehmensgründung ziemlich stabil entwickelt. Gut 160 Menschen arbeiten heute für Ecocool, inklusive 20 bis 30 in der Leiharbeit. Die Umsatzraten der vergangenen Jahre klingen beeindruckend: Zwischen zwanzig und dreißig Prozent taxiert Florian Siedenburg das Wachstum.

Wachstum bringt Ecocool an (räumliche) Grenzen 

Aus seinem Büro fällt der Blick raus auf den Ecocool-Rohbau auf der anderen Straßenseite. Rund 2.000 Quadratmeter zusätzliche Fläche für Produktion und Lager wird der Neubau, der in den kommenden Wochen fertig werden soll, dem Unternehmen bringen. „Und diese Planung ist auch schon wieder auf Naht. Das mit dem Platz ist ein bisschen die Geschichte, die uns verfolgt“, erzählt Siedenburg von den Folgen des starken Wachstums. Erst 2015 ist Ecocool in die damals neuen Gebäude im Fischereihafen gezogen, momentan unterhält man noch drei weitere Außenstandorte.   

Siedenburg zeigt das erste erfolgreiche Produkt der Firma, produziert seit Anfang der 2000er-Jahre. Eine Kühlverpackung namens „Isohood-Inlay“ – ein Versandkarton mit passend gestanztem Einlass aus Isolierfolie für die Verschickung von Veterinär-Arzneimitteln. Über 30 bis 40 Stunden lassen sich darin Medikamente bis minus acht Grad kühl halten. 

Der Auftrag eines Leverkusener Chemieriesen im Jahr 2012 stellte die Weichen bei Ecocool dann weiter auf Wachstum. Um was es dabei ging, kann man bei einem Gang durch die Produktionshallen des Unternehmens sehen. Überall sind großformatige Luftpolsterfolien mit glänzender Aluminiumbeschichtung gestapelt. Diese Thermohauben zum Schutz temperatursensibler Ladungen, längst ein Klassiker im Portfolio von Ecocool, werden an Werkstischen noch mit klassischer Handarbeit hergestellt. Hier wird geschnitten, gestanzt, verklebt und genäht. „Das ist viel Lowtech, aber wir sind gut darin, neue Maße und Kombinationen von Produkten zu entwickeln“, sagt Florian Siedenburg, der Ecocool als Konfektionierbetrieb bezeichnet.

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Hintergrund des Geschäftes mit dem Leverkusener Konzern waren damals strengere EU-Regeln für die Pharmalogistik. Die auf den Verpackungen angegebene Lagertemperatur muss seit 2013 lückenlos auch während des Transportes eingehalten werden. Paletten mit Arzneimitteln auf dem Rollfeld eines Flughafens, die dort vor der Verladung in der knalligen Sonne oder bei eisigen Temperaturen stehen, sind der Albtraum für Hersteller, Logistiker und Endkunden gleichermaßen. „Je nach Flughafen steht die Ladung dort bis zu vier Stunden. Da kommt man ganz schnell in kritische Bereiche, bei denen die notwendigen Temperaturen über- oder unterschritten werden“, weiß Florian Siedenburg.

Noch bis März läuft das Saisongeschäft mit Thermohauben zum Frostschutz. Ein Mitarbeiter in der Produktionshalle stülpt die metergroßen Hauben von links nach rechts und verschwindet dabei förmlich in der silbernen Folie. „Das ist harte körperliche Arbeit“, weiß Siedenburg. Die Gründe für die Prozedur sind rein ästhetisch: damit die Nähte innen liegen. 

Der Chef betont den Service-Charakter des Unternehmens. „Wir machen keine Standardanfertigungen, sondern arbeiten nach Kundenwünschen. Das funktioniert aber nur, wenn man am Standort produziert und nicht irgendwo in Osteuropa“, meint der Bremerhavener Volkswirt.

Ecocool ist Lieferant für „Hello Fresh“

Natürlich denkt man bei einem Unternehmen, das Teil der Pharmalogistik ist, an aktuelle Notwendigkeiten wie den Transport von Impfstoffen gegen Corona. Einen Großauftrag für Pfizer habe man Ende 2020 leider knapp verpasst, berichtet der Ecocool-Chef erneut ganz ehrlich. Kleinere Mengen an hauseigenen Boxen werden allerdings für die Impfstoffverteilung des Schweizer Bundesheeres verwendet. Auch für die letzte Meile auf dem Weg zu regionalen Impfzentren und Landratsämtern kamen Pharmaboxen von Ecocool zum Einsatz. „Da hätte man aber keinen relevanten Anstieg in unseren Zahlen sehen können“, berichtet Florian Siedenburg offen. 

Lebensmittelversender wie „Hello Fresh“ dagegen haben durch Corona schon einen Wachstumsschub bekommen. Davon profitiert auch Ecocool, das den Berliner Online-Händler wöchentlich mit großen Mengen wasserbasierter Kühlelemente beliefert. 

Produkte für einen zunehmend globalisierten und digitalisierten Handel, produziert mit viel klassischer Handarbeit: Der antike Janus als Sinnbild für überlegtes unternehmerisches Handeln, welches das Gestern für zukünftige Entscheidungen im Blick behält, hat auch heute – mehr als 20 Jahre nach dem Gewinn des Bremerhavener Gründerpreises – noch Bedeutung bei einem Unternehmen wie Ecocool.

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