Annähernd 6400 Kilometer liegen zwischen der Erdoberfläche und dem Mittelpunkt des Planeten. Bestünde die Möglichkeit, sich auf den Weg dorthin zu machen, käme es einer Reise in ein Inferno gleich. Schon bald wäre die Hitze unerträglich. In gut 5000 Kilometern Tiefe beginnt ein Bereich, den Geowissenschaftler als inneren Erdkern bezeichnen. Laborexperimenten zufolge könnten dort Temperaturen von etwa 6000 Grad Celsius herrschen. Nach Angaben des Bundesverbandes Geothermie sind rund 99 Prozent der Erdmasse heißer als 1000 Grad. Nur 0,1 Prozent der Masse wiesen Temperaturen von weniger als 100 Grad auf. Dass dieser Umstand gerade in Zeiten, in denen manche Energieträger knapp zu werden drohen, besonderes Interesse weckt, liegt auf der Hand. Der Ausdruck Geothermie bezeichnet die Lehre von der Wärme im Erdkörper. Bestrebungen, diese Erdwärme verstärkt zu nutzen, gibt es auch im norddeutschen Raum.
Letztlich handelt es sich bei der Erdwärme um eine nach menschlichen Maßstäben unerschöpfliche Energiequelle. Ihre Wurzeln vermuten Wissenschaftler in der Entstehungsgeschichte des ungefähr 4,6 Milliarden Jahre alten Sonnensystems. Danach führten die immer stärkere Verdichtung der Materie infolge der Schwerkraft und Meteoriteneinschläge dazu, dass sich die junge Erde aufheizte. Reste dieser Wärme, so heißt es, seien bis heute erhalten geblieben. Daneben mache sich bemerkbar, dass im Erdinneren unentwegt radioaktive Elemente zerfielen. Dabei entsteht Wärme.
Fast eine halbe Million Anlagen
Wie der Bundesverband Geothermie erklärt, dessen Mitglieder unter anderem aus der Industrie und der Wissenschaft stammen, gibt es in Deutschland mittlerweile annähernd eine halbe Million Anlagen, die die Erdwärme aus Tiefen von weniger als 400 Metern nutzen. Bei diesem Bereich sprechen Fachleute von oberflächennaher Geothermie. In Mitteleuropa steigt die Temperatur unmittelbar unterhalb der Erdoberfläche im Schnitt alle 100 Meter um etwa drei Grad. Extrem heiß ist es also in diesem Bereich noch nicht, doch schon die vergleichsweise geringen Temperaturunterschiede reichen aus, um zum Beispiel mithilfe der Erdwärme Gebäude zu beheizen.
Gewinnen lässt sich die erforderliche Energie unter anderem mit sogenannten Erdwärmesonden. Bei ihnen handelt es sich um Rohre, die mit einer Flüssigkeit – meist Wasser mit einem Frostschutzmittel – gefüllt sind. Sie nehmen die Wärme aus dem Erdreich auf und befördern sie an die Oberfläche. Dort kommt eine Wärmepumpe zum Einsatz, die das Temperaturniveau weiter anhebt. Die Wärme aus der Umwelt dient in Wärmepumpen dazu, ein Kältemittel zu erwärmen, das nach und nach verdampft. Um die zum Heizen benötigte Temperatur zu erhalten, muss der Dampf mithilfe einer mit Strom betriebenen Maschine verdichtet werden. Druck und Temperatur nehmen dadurch zu. Ist die benötigte Temperatur erreicht, überträgt ein Wärmetauscher die Energie auf das Heizwasser. Im Sommer können Wärmepumpen auch verwendet werden, um Wärme aus Wohnräumen in den Untergrund zu leiten, das heißt: Solche Geräte eignen sich auch zum Kühlen.
Wenn es gilt, sich die Energie aus größeren Tiefen als 400 Metern zunutze zu machen, sprechen Fachleute von tiefer Geothermie. In großen Tiefen gibt es wasserführende Schichten, sogenannte Aquiferen, die angezapft werden können. Solches Wasser, von Fachleuten Thermalwasser genannt, wird bereits seit einigen Jahren in bestimmten Regionen Deutschlands verwendet, so etwa im Bereich des Oberrheingrabens und des Molassebeckens am Nordrand der Alpen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, heißes Gestein in mehreren Kilometern Tiefe zu nutzen. Dazu lässt sich kaltes Wasser in den Untergrund pressen, das sich unter seinem Einfluss erwärmt und dann an die Erdoberfläche befördert wird.
Warmes Wasser aus großer Tiefe
Der Bundesverband Geothermie beziffert die Anzahl der Anlagen zur Nutzung der Wärme aus größeren Tiefen, die derzeit in Deutschland in Betrieb sind, auf 42. Mehr als die Hälfte davon befindet sich in Bayern. Im norddeutschen Raum gibt es mehrere Anlagen in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Dass jedoch auch anderswo ein Interesse besteht, die Möglichkeiten der tiefen Geothermie ins Blickfeld zu rücken, beweist nicht zuletzt das niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie. Es hat Karten zu Regionen veröffentlicht, die im Wesentlichen südlich von Walsrode liegen und für die Gewinnung von Erdwärme aus größeren Tiefen geeignet sein könnten. Dort befinden sich in bis zu 1,7 Kilometern Tiefe wasserdurchlässige Sandsteine. Das Temperaturniveau in diesen Bereichen des Erdinnern gibt das Landesamt mit etwa 20 bis 60 Grad an. Zu finden sind die Karten im Internet über den Kartenserver des niedersächsischen Bodeninformationssystems (https://nibis.lbeg.de/cardomap3/?permalink=1IjH4fXd). Einen Grund dafür, dass die tiefe Geothermie vielerorts ungenutzt bleibt, sieht die Behörde in den hohen Bohrkosten.
Dass es anderswo auf der Erde erheblich leichter ist, an die Wärme aus dem Erdinneren zu gelangen, dass dort nicht tief gebohrt werden muss, beweist nicht zuletzt das Beispiel Islands. Von der Wärme im Untergrund zeugen dort unter anderem die sogenannten Geysire. Der Begriff Geysir ist von einem isländischen Wort für hervorsprudeln abgeleitet. In einem Fachtext zu Geysiren wird betont, dass das Grundwasser auf Island in einem Kilometer Tiefe eine Temperatur von weit mehr als 200 Grad Celsius haben könne. Wenn solches Wasser an der Oberfläche austrete, könne es immer noch kochend heiß sein.