Mehrmals fühlten sich die Vertreter der EU-Kommission am Mittwoch gezwungen, diesen einen Punkt hervorzuheben: Die Millionen-Strafen gegen Apple und Meta hätten nichts mit dem Zollstreit zwischen Washington und Brüssel zu tun – die Betonung lag auf „nichts“. Trotzdem blieb die Frage, welche Konsequenzen die Entscheidungen für das angespannte transatlantische Verhältnis haben könnten: Die EU verhängte gegen den amerikanischen Tech-Giganten Apple eine Strafe in Höhe von 500 Millionen Euro. Der US-Konzern Meta, zu dem Facebook und Instagram gehören, soll ein Bußgeld von 200 Millionen Euro bezahlen. Beide Firmen hätten nach Ansicht der Brüsseler Behörde europäisches Recht nach dem sogenannten Gesetz über digitale Märkte (DMA) verletzt.
Konkret wird Apple vorgeworfen, App-Entwickler daran zu hindern, Verbrauchern in vollem Umfang Angebote außerhalb des App-Stores zugänglich zu machen. Nutzer könnten nicht in vollem Umfang von alternativen und günstigeren Angeboten profitieren, da der Konzern die App-Entwickler davon abhalte, Verbraucher direkt über solche Möglichkeiten zu informieren und ihnen den Kauf zu ermöglichen.
"Zustimmen oder zahlen"
Das Verfahren gegen Meta drehte sich dagegen um das sogenannte „consent or pay“-Modell, das die Nutzer von Facebook und Instagram vor die Wahl „zustimmen oder zahlen“ stellte, ergo: Wollten die Verbraucher die Verwendung ihrer personenbezogener Daten für Werbezwecke akzeptieren oder eine werbefreie, kostenpflichtige Version des Dienstes abonnieren? Dies sei laut Kommission „unrechtmäßig“.
Während Apple bereits ankündigte, die Strafe juristisch anzufechten, weil das Vorgehen der Behörde unfair sei, sprach Kommissionsvizepräsidentin Teresa Ribera von „entschlossenen, aber ausgewogenen Durchsetzungsmaßnahmen". Apple und Meta hätten die Einhaltung des DMA verfehlt, indem sie Maßnahmen umsetzten, die die Abhängigkeit von gewerblichen Nutzern und Verbrauchern von ihren Plattformen verstärkten. Jetzt sende man „eine starke und klare Botschaft“. Alle in der EU tätigen Unternehmen müssten „unsere Gesetze befolgen und die europäischen Werte respektieren“, so Ribera. Beide Konzerne haben nun 60 Tage Zeit, die Mängel zu beseitigen, ansonsten riskieren sie Zwangsgelder.
Der im Frühjahr 2023 in Kraft getretene DMA soll unter anderem den Wechsel zwischen konkurrierenden Online-Diensten wie Social-Media-Plattformen, Internetbrowsern und App-Stores erleichtern und damit insbesondere kleineren Unternehmen helfen, sich im Wettbewerb mit den Tech-Riesen zu behaupten.
Der CDU-Europaabgeordnete Andreas Schwab nannte die Entscheidung „ein unmissverständliches Signal“. Auch die mächtigsten Digitalkonzerne stünden nicht über dem Gesetz. „Wer systematisch Märkte abschottet, Innovation unterdrückt und Verbraucher Alternativen verweigert, muss mit spürbaren Konsequenzen rechnen“, so Schwab. Man zeige, dass Europa „nicht unter dem politischen Druck aus Washington einknickt“, lobte auch die sozialdemokratische EU-Parlamentarierin Katarina Barley.
Bekanntgabe vor Wochen geplant
Tatsächlich war der Moment der Bekanntgabe bereits vor Wochen geplant gewesen, die Verfahren schienen abgeschlossen. Doch dann begann US-Präsident Donald Trump, mit der Zollkeule um sich zu schlagen. Obwohl die EU-Kommission offiziell die Wichtigkeit der Durchsetzung der Regeln herausstrich, wuchs mit jedem Tag des Wartens der Verdacht, dass der Zeitplan von dem Handelsstreit mit Washington überschattet und diktiert wird. Und die Vorwürfe wurden lauter, dass die Brüsseler Behörde mit der Aufschiebetaktik die Glaubwürdigkeit der EU im Bereich der Überwachung ihrer eigenen Gesetze untergraben könnte. „Es wäre höchst besorgniserregend gewesen, hätte die Kommission die im Gesetz vorgesehenen Verfahren weiter verzögert und den Eindruck erweckt, sie lasse sich von Trumps Drohungen erpressen“, sagte die grüne EU-Abgeordnete Anna Cavazzini am Mittwoch. Nun stünde die EU keinesfalls am Beginn eines „Tech-Krieges“ als Reaktion auf Trumps „erratische“ Zollpolitik. Die Entscheidungen seien vielmehr „die konsequente Umsetzung von geltendem EU-Recht“.
Im Weißen Haus werden die Regeln der europäischen Tech-Verordnung jedoch gerne als „Steuern für US-Konzerne“ verurteilt. Deshalb wurde hinter den Kulissen spekuliert, ob Brüssel lediglich milde Bußgelder verhängen könnte, um Trump zu besänftigen. Laut DMA kann die Kommission für Regelverstöße eigentlich Strafen in Höhe von bis zu zehn Prozent des weltweiten Umsatzes der als Gatekeeper eingestuften Konzerne beschließen. Zu diesen Firmen, die aufgrund ihrer Marktstellung und starken wirtschaftlichen Position erhebliche Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben, zählen derzeit – mit Ausnahme des Tiktok-Betreibers Bytedance – ausschließlich Konzerne in den Vereinigten Staaten. Sind insgesamt 700 Millionen Euro für Apple und Meta also „Peanuts“, wie ein Beobachter monierte? CDU-Mann Schwab winkte ab. Nicht die Summe sei entscheidend, sondern das Signal: „Der europäische Binnenmarkt duldet keine Rechtsbrüche – auch nicht im Digitalen."