Für viele Handybesitzer mögen es bloß ein paar Buchstaben und Zahlen in der oberen Ecke des Bildschirms sein. E, 3 G und LTE steht da oder auch: „kein Netz“. Dabei stehen die Kürzel für große Innovationen der Mobilfunkbranche. Ging es beim Sprung von 3 G, der dritten Mobilfunkgeneration, zu LTE noch um höhere Datenraten, soll die fünfte Generation vor allem die Vernetzung und die Digitalisierung insgesamt voranbringen. 5 G wird ein Anwendungsfeld haben, das weit über das von Smartphone-Nutzern hinausgeht, sagt Armin Dekorsy, der das Institut Nachrichtentechnik an der Universität Bremen leitet. „Es wird als Schlüsseltechnologie die weltweite Digitalisierung voranbringen.“ Dekorsy spricht von einem neuen Paradigma. Man wird Mobilfunktechnologie mit 5 G demnach ganz neu denken.
Bei 5 G geht es um Kommunikation. Nicht nur zwischen Menschen, sondern zwischen Menschen und Maschinen und von Roboter zu Roboter. „Machine-to-Machine“ heißt der Dialog, der mit 5 G die Industrie 4.0 revolutionieren soll. Fertigungsroboter sollen miteinander kommunizieren und Daten schneller und verlässlicher übertragen können. Mit 5 G soll eine Zukunft greifbar werden, die bisher eher der Stoff von Science-Fiction-Filmen gewesen ist. Handwerker könnten bei ihrer Arbeit virtuelle Realität einsetzen und Informationen mit Datenbrillen empfangen. 3 D- und 360-Grad-Übertragungen werden live möglich sein, genauso wie Roboter, die ferngesteuert eine Operation am lebenden Menschen durchführen oder im Haushalt helfen.
Auch als grundlegende Technologie für das autonome Fahren wird 5 G immer wieder von Experten genannt. „Es wird kein autonomes Fahren ohne 5 G-Technologie geben“, meint der Bremer Forscher Dekorsy. Die selbstfahrenden Autos sollen miteinander in Echtzeit kommunizieren können, sich gegenseitig mitteilen, wo sie sich befinden, ob ein Unfall passiert ist und sich ein Stau bildet. Diese Art von Kommunikation bedeutet einen riesigen Datenfluss, den das jetzige LTE-Netz nicht stemmen kann. Deswegen sind für 5 G zusätzliche Frequenzbänder in der Diskussion, die beispielsweise auch für autonomes Fahren genutzt werden können.
Derzeit ist mit LTE eine Übertragungsbreite von theoretisch 300 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) möglich. Sind 100 Nutzer in solch einer Funkzelle aktiv, teilen sie sich die Bandbreite und jeder surft noch mit 3 Mbit/s. Mit 5 G soll dieser Wert in einer Funkzelle bei 10 Gigabit pro Sekunde liegen, also bei 10 000 Mbit/s. Neben der sehr viel höheren Datenrate, tragen zwei weitere Faktoren dazu bei, dass 5 G als besonders bedeutend für die digitale Vernetzung gilt. Latenz und Zuverlässigkeit. Die Latenz beschreibt die Laufzeit der Signale im Netz. Diese soll bei 5 G im Vergleich zu LTE 40 Mal schneller sein. Das Ergebnis wäre eine kaum wahrnehmbare Signalverzögerung.
Dezentrales 5G-Funknetz
Das bedeutet: Übertragung in Echtzeit. Damit die fünfte Mobilfunkgeneration Daten zuverlässiger übertragen kann als heute 4 G, wird es die Funktion des „Network Slicing“ haben, also ein Netzwerk in Scheiben zu zerlegen. Dadurch kann 5 G im Gegensatz zu LTE verschiedenste Anwendungen wie Breitband und Maschinenkommunikation gleichzeitig bedienen. Das Streamen von Videos würde das Netz demnach anders verarbeiten als die Vernetzung von selbstfahrenden Autos. Außerdem kann 5 G wichtige von unwichtigen Daten unterscheiden und bewerten, wie schnell und mit welcher Bandbreite sie übertragen werden müssen.
Um ein zuverlässiges 5 G-Netz zu spannen, will man die Funkzellen dezentral organisieren. Daten sollen keine langen Wege zurücklegen, sondern in nahen Basisstationen verarbeitet werden – mit mehr Antennen als heute. Bis Endkunden die neue Technologie auf ihren Smartphones nutzen können, wird es noch dauern. Als Datum für den Start von 5 G wird allgemein das Jahr 2020 anvisiert. In der Mobilfunkbranche möchte jeder der Erste auf dem Markt sein. Schon heute wird 5 G getestet. Unter anderem im Hamburger Hafen bei der Ampelsteuerung.
Sogar bei den diesjährigen Olympischen Winterspielen in Südkorea wurden teilweise 5 G-Technologien eingesetzt, etwa bei Videoübertragungen für Zuschauer. Die meisten Endverbraucher werden das Netz jedoch erst später nutzen, schätzt Dekorsy. „Bis 2023 wird 5 G ausreichend vorangeschritten sein, danach kommt es in der breiten Gesellschaft an.“ Er rechnet mit dem Jahr 2024 oder 2025. Davor werde es kleine Modifikationen von LTE geben.
5G kann bald Standart werden
Gerrit Cegielka von der Verbraucherzentrale Bremen sieht bei der Einführung einer neuen Mobilfunkgeneration zwei Problembereiche: Die Netzabdeckung und die Endgeräte. Selbst Kunden mit LTE-Vertrag seien heute nicht sicher vor Funklöchern. „Auch steht wieder zu vermuten, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher in Ballungsräumen eher in den Genuss der neuen Technologie kommen als im ländlichen Raum“, sagt Cegielka. Jeder Verbraucher müsse sich die Frage stellen, ob er 5 G braucht. „Und wenn ja erscheint es sinnvoll, die Markteinführung und die ersten Erfahrungsberichte erst einmal abzuwarten, bevor in neue Smartphones investiert wird“, so der Verbraucherschützer.
Früher oder später wird 5 G zum Mainstream-Netz aufsteigen. Das Netz kann auch eine Alternative zum heimischen Internetanschluss DSL werden, auch wenn das nicht das Kernziel des Netzes ist. Auf lange Sicht kann die neue Generation jedoch vieles ersetzen, das heute noch Standard ist. So auch die Netze der zweiten und dritten Mobilfunkgeneration. „In Deutschland wurde entschieden, 3 G früher abzuschalten als gedacht und 2 G weiterlaufen zu lassen, weil es in der Automatisierungsindustrie verwendet wird“, erläutert Dekorsy. Hier unterscheidet sich Deutschland von anderen Ländern, die 2 G früher abschalten werden. „Das Argument 3 G abzuschalten, rührt daher, dass 4 G übernehmen kann. Später wird 5 G dann 2 G ersetzen.“