Ihr Verpackungsinstitut will sich für die „gute Verpackung“ einsetzen. Was verstehen Sie darunter?
Winfried Batzke: Eine Verpackung erfüllt verschiedenste Anforderungen, schützt und wirbt für Produkte, macht sie transportabel und lagerfähig und informiert über die Inhaltsstoffe. Eine gute Verpackung erfüllt all diese Aufgaben mit möglichst wenig Ressourcenverschwendung und Materialeinsatz. Es gibt aber nicht die eine gute Verpackung, weil es zigtausende Produkte mit unterschiedlichen Anforderungen gibt.
Fällt Ihnen aber eine mustergültige Verpackung ein?
Das Glas für Gewürzgurken ist schon eine optimale Verpackung: Das Produkt ist sichtbar, das Glas lässt sich recyceln, es ist nur wenig Kunststoff nötig. Genauso gibt es sinnvolle Kunststofflösungen, weil oft weniger Material für die Verpackung notwendig ist.
Verpackungen sind auch ein Stück Gewohnheit – mit dem Gurkenglas ist man aufgewachsen.
Auf der anderen Seite ist das Glas natürlich beim Transport schwerer. So sind Verpackungen immer auch ein Kompromiss zwischen den Anforderungen, Kosten und Auswirkungen auf die Umwelt. Es kommt mit dem Lieferkettengesetz noch eine weitere Komponente dazu, denn die Verpackung informiert, woher ein Produkt kommt.
Besonders in der Kritik stehen Produkte, die gleich mehrfach verpackt sind: Tüten in Tüten. Welche Hüllen sind aus Ihrer Sicht problematisch?
Wir sind in Deutschland schon sehr weit, Verpackungen möglichst zu optimieren. In England ist zum Beispiel um die Joghurtbecher noch eine Banderole mit Folie drumherum. Das ist Blödsinn. Mehrfachverpackungen gibt es aber auch hier, was vor allem an den langen Transportwegen liegt. Nehmen wir ein Parfum. Der Flakon steckt in einer eingeschweißten Schachtel. Die soll im Regal Aufmerksamkeit erzeugen – das Produkt soll für den Kunden gut aussehen. In der Öffentlichkeit wird das gerne unterschätzt. Erst lieben wir nämlich die Verpackung, weil wir Produkte daran erkennen. Dann schlägt die Liebe in Hass gegen den Müll um.
Die hübschen Hüllen werden zu Müll. Und davon produzieren wir schon genug. Die beste Verpackung ist doch die, die es gar nicht braucht.
Das stimmt eben nicht. Wir brauchen Verpackungen. Selbst eine Banane mit ihrer tollen Schale muss von der Plantage transportiert werden. Auch im Unverpackt-Laden geht es nicht anders, ich muss die Ware ja herbekommen. Ohne Verpackung geht es nur, wenn ich mir Tomaten aus dem Garten hole.
Vor allem Plastik begegnet uns im Alltag ständig. So drücken wir Zahnpasta aus der Kunststofftube und kaufen das Paprikatrio in Folie. Mikroplastik ist dabei eine besondere Gefahr für die Umwelt. Tiere halten Plastik für Nahrung und verenden daran. Wie wird das in der Branche diskutiert?
Es wird seit Jahren nichts anderes diskutiert. Nachhaltigkeit ist seit 1990 das Riesenthema in der Industrie, weil damals die Verpackungsverordnung ins Leben gerufen wurde. Das Kunststoffproblem soll zwar mit der Kreislaufwirtschaft gelöst werden, doch Recycling ist nicht überall möglich und wirtschaftlich sinnvoll. Deshalb wird noch viel zu viel verbrannt. Die Unternehmen müssten zudem über ihren Schatten springen und bei der Farbgebung Abstriche machen. In Deutschland bemüht sich die Industrie um Lösungen. Wir sind da Vorreiter. Das Klima können wir durch Verpackungsverzicht aber nicht retten, weil unser Einfluss zu gering ist. Der Großteil des Kunststoffs gelangt in die Meere, weil viele Länder keine Müllentsorgung haben. Und auch hier landet Plastik im Meer, weil die Verbraucher ihn in die Landschaft schmeißen. Ich halte darum Aufklärungsarbeit und Pfandsysteme für wichtig.
Trotz des veränderten Bewusstseins: Überall entsteht neuer Verpackungsmüll – auch durch unsere Onlinebestellungen. Wie hat sich das Volumen an Verpackungen verändert?
Es gibt mehr Verpackungsmüll, obwohl weniger Material von der Industrie eingesetzt wird. Das liegt daran, dass wir viel mehr konsumieren.
Wie gehen Sie selbst einkaufen?
Ich habe im Rucksack einen Jutebeutel dabei. Ich schaue sehr bewusst nach Verpackungen, aber eigentlich eher nach schönen, spannenden, neuen Ideen. Auf Vermeidung gucke ich nicht unbedingt. Ich nutze auch gerne die Hemdchenbeutel fürs Obst. Die Tüte kommt dann in den Gelben Sack und wird entweder zu Energie oder neuem Kunststoff.
Bestimmte leichte Tüten an der Kasse sind seit Kurzem verboten. Wie denken Sie über die Eingriffe der Politik?
Aus meiner Sicht wird viel an kleinen Symptomen herumgedoktert. Der Verzicht von Wattestäbchen mit Plastik und Strohhalmen bringt 0,0 Prozent von Irgendwas. Das ist für mich Augenwischerei. Es wird immer auf der Verpackung herumgehackt. Wir haben aber eigentlich ein Konsumproblem. Wir konsumieren in jeder Hinsicht zu viel. Eigentlich müssten wir dazu eine Debatte führen.
Wie sieht die Verpackung der Zukunft aus?
An einigen interessanten Alternativen wird gearbeitet – Kunststoff aus nachwachsenden Rohstoffen oder Papier aus Silphiepflanze. Das kann aber alles nicht die Mengen ersetzen, die wir auf der Welt brauchen. Und wenn wir über Verzicht reden, kann es nur um die Spitze eines Eisbergs gehen, wo das möglich ist.
Das Gespräch führte Lisa Schröder.