Die Autobauer stehen unter Strom – und setzen 2020 gehörig viele Modelle unter eben diesen. Nie funkelten auf den Höfen der Händler derart reihenweise Elektrofahrzeuge. Gleichzeitig bemüht sich der Staat, die Nachfrage anzukurbeln. Allerdings mit fragwürdigen Mitteln.
Jeder Bundesbürger zahlt für jedes neue E-Auto auf den Straßen – egal, ob er im Pkw oder zu Fuß, mit dem Fahrrad oder in öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist. Denn die Kaufprämie für einen Stromer steigt auf bis zu 6000 Euro. Bund und Hersteller teilen sich die Subvention. Das erhöht die steuerliche Last für jedermann; der Anteil der Konzerne ist indes ein einkalkulierter Preisnachlass – und das geringere Übel.
Schon bald drohen schließlich Strafen, die je nach Absatz Milliarden von Euro erreichen. Stichwort: Flottenwert. Im Klartext: All die 2020 in der EU verkauften Neuwagen eines Anbieters dürfen gemittelt maximal 95 Gramm Kohlenstoffdioxid pro Kilometer ausstoßen. Illusorisch, wären da nicht die E-Autos mit 0,0 Gramm. Ansonsten bedürfte es eines Verbrauchs von etwa dreieinhalb Litern Diesel oder vier Litern Benzin. Das schaffen selbst Hybride oder Plug-in-Hybride, die Kombinationen aus Verbrenner und Elektroantrieb, schwerlich. Sukzessive zieht die EU die Daumenschrauben an. Ab 2021 müssen die Hersteller 95 Euro für jedes überschüssige Gramm CO2 zahlen.
Aber die Autoindustrie ist ein gewichtiger Wirtschaftsfaktor. Der Staatenverbund hat deshalb vorgesorgt. Die Rohstoffe zehrende, Schadstoffe herausblasende und soziale Standards missachtende Produktion und Wiederverwertung der Akkus in fernen Landen zählt nicht. Vielmehr bezieht die EU gar den E-Primus Norwegen – fast jeder zweite Neuwagen fährt dort elektrisch – für die Flottenwerte mit ein. Wohlgemerkt ist das Königreich kein EU-Mitglied, der Schachzug daher opportun. Er drückt den Schnitt.
Das E-Auto als Fahrzeug grüner Vernunft
Fraglos, Klimaschutz beginnt vor der Haustür, den eigenen ökologischen Fußabdruck im Blick. Ein derart gewonnenes reines Gewissen offenbart aber auch eine Spielart altbekannter, eigennütziger Trägheit. Wie lange schon gilt das E-Auto als Fahrzeug grüner Vernunft, als Synonym für Zukunft. Wie lange also hat die Wirtschaft ihre E-Offensive verschlafen?
Statt sie dafür konsequent zur Kasse zu bitten, bestraft die Bundesrepublik von 2021 an gleich jeden Fahrer eines Verbrenners. Die Besteuerung des CO2-Ausstoßes von im ersten Schritt 25 Euro pro Tonne verteuert jeden Liter Benzin um knapp zehn Cent. Der Anstieg des Dieselpreises liegt knapp darunter.
Aber kaum ein Raucher qualmt weniger, weil die Preise für Zigaretten steigen. Gleiches gilt in Zeiten erhöhter Spritkosten für die Autofahrer beziehungsweise ihre Auspuffrohre. So bleibt das Ziel von zehn Millionen Stromern in 2030 utopisch. Etwa 58 Millionen Kraftfahrzeuge sind derzeit in Deutschland zugelassen. Eine Million elektrische Exemplare sollten es längst sein, wir zählen 162.000. Zudem hat das Durchschnittsfahrzeug 9,5 Jahre auf dem Buckel. Schließlich leisten sich lediglich die reicheren Mitbürger notorisch einen Neuwagen. Auch wenn die Preise für elektrische Stadtflitzer unter 20.000 Euro sinken, wird es also dauern, bis das E-Auto sich durchsetzt.
Den Markt prägt aber auch ein zweiter Begriff, der des Crossovers. Das tiefergelegte SUV, das aufgebockte Coupé. Warum der Trend zum Mix nicht weitere alternative Treibstoffe ergreift? Unverständlich. Gas aus Biomasse ist eine Option, vor allem für landwirtschaftliche Gegenden. Eine andere: Wasserstoff. Der ist prädestiniert für Windkraftstandorte wie Bremerhaven. Überschüssigen Ökostrom in dieser Form zu speichern, das ist ein erstrebenswertes Handlungsfeld.
Ein Stromer zählt doppelt
Vorerst drückt sich die Mischung allenfalls im Solidarprinzip Trägheit aus. Ein Stromer zählt doppelt. Für jedes noch so kleine E-Auto „darf“ ein anderer seinen 190 Gramm CO2 blasenden SUV ausfahren. Das gilt zumindest für die Strafzahlungen der Konzerne, nicht für den Spritpreis. Mehr Sinn als Sanktionen stiften ohnehin Privilegien, etwa E-Autos von der Kfz-Steuer zu befreien. Auch der schnelle Ausbau der Infrastruktur, sprich Zehntausende neue Ladepunkte, verspricht Schub. Exklusive Fahrspuren und kostenfreie Parkplätze für umweltfreundlichere Autos sind weitere Ideen.
E wie Erneuerung umfasst weit mehr als die E-Mobilität. Etwa Verzicht, Carsharing und sauber gesetzte Anreize. Subventionen hemmen wegweisende Technologien. Die Steuern schüren Unverständnis aufseiten derer, die für die Fehler anderer zahlen, steigern jedoch bestenfalls auch den Druck zur Innovation.