Seit Ende 2011 ist das Wasserkraftwerk am Weserwehr in Hastedt mit einem Fischwanderweg in Betrieb. Amtsfischer Rüdiger Droste betreut die Anlage im Auftrag des Betreibers SWB. Er zählt die Fische nach Arten und misst ihre Länge. Einige der heute eher unbekannten Fischarten galten früher als Delikatessen, zum Beispiel die Neunaugen, in früheren Zeiten als Bremer Prikken bekannt.
Fast täglich steigt Rüdiger Droste mehrere Meter in die Tiefe zu seinem nasskalten Arbeitsplatz, der Fischaufstiegsanlage am Weserwehr. Die Aufgabe des Diplom-Biologen und Amtsfischers: Er soll kontrollieren, ob der Fischwanderweg am Hastedter Osterdeich funktioniert. Mittels eine Fangkorbes werden die Fische bei ihrer Wanderung aufgehalten. Droste hebt die Fische mit einem Kescher aus dem 3,5 Meter langen und zwei Meter hohen Korb und misst sie kurz: „Daran kann ich erkennen, ob die Strömung für kleinere Fische zu stark ist.“ Danach können die Tiere ihre Wanderung flussaufwärts auf der anderen Seite des Fangkorbs fortsetzen.
Noch zwei Jahre soll die Zählung im Auftrag der SWB fortgesetzt werden, um bewerten zu können, ob die Anlage funktioniert wie geplant. Dann wird der Fangkorb entfernt und die Fische durchqueren den Weg ohne den Zwischenstopp in Rüdiger Drostes Kescher.
Rund 2000 Fische und 35 000 Flussneunaugen, die streng genommen keine Fische sind, sondern „Rundmäuler“, haben im vergangenen Jahr nach seiner Zählung die 200 Meter lange, flache Rampe durchquert. Die Tiere überwinden dabei einen Höhenunterschied von rund sieben Metern, die Neigung beträgt maximal 2,85 Prozent.
Die „Raue Rampe“ ist als ein sogenanntes „naturnahes Gerinne“ angelegt. Der kleine, künstliche Seitenarm der Weser in Sichtweite des Wehrschlosses ist drei Meter breit, mit Kies ausgestreut und mit Störsteinen versehen. Störsteine sind Poller, die die Strömung verlangsamen sollen und in deren Strömungsschatten die Fische bei ihrem Aufstieg verweilen können.
Die Größe des Fischwanderwegs ist im Verhältnis zum durchströmenden Wasser so berechnet, dass die Wassertiefe stets einen Meter betragen soll. Bisher wurde eine Schwachstelle entdeckt und nachgebessert: „Der Kies in der Anlage war zu leicht und wurde weggespült.“ Jetzt bedecken schwerere Steine den Boden, die, so die Hoffnung, liegen bleiben.
„Das Leben der meisten Fischarten besteht aus Wandern“, erklärt Droste. „Je nach Strömung, Sauerstoffgehalt und Temperatur änderten die verschiedenen Fischarten ihren Standort, um immer wieder die für sie angenehmsten Verhältnisse zu erreichen.“ Ein „Revier“ wie Rehe oder Füchse haben die meisten Flussbewohner eher nicht.
Angeln verboten
Aale, Bachforellen, Barben, Barsche, Neunaugen, Döbel, Güster, Lachse, Rapfen, Karpfen, Welse, Zander – insgesamt 27 Arten durchschwimmen den Fischwanderweg und gehören damit in Unter- und Mittelweser zur „Ichthyofauna“, wie die Zusammensetzung der Fischarten in einer Region heißt. Von März bis Juni wandern die Tiere zu ihren Laichplätzen, so Droste: „Flundern und Aale laichen stromabwärts im Brackwasser. Brassen schwimmen im Frühjahr stromaufwärts, und die Lachse dringen zu ihren Laichbächen an Mittel- und Oberweser vor, um sich zu vermehren.“ Geangelt werden darf am Fischwanderweg nicht: „Das ist gesetzlich verboten“, so Droste.
Von Tierschützern wurde das Wasserkraftwerk von Anfang an kritisiert, weil ein Teil der Fische, die flussabwärts schwimmen, nicht auf den Fischwanderweg kommen, sondern in die Turbinen geraten. Insbesondere mit Blick auf die Aale gab es Kritik, denen durch das neue Kraftwerk der Weg von den Flüssen ins Meer versperrt werde, weil sie in die Turbinen gerieten, so eine Diplom-Biologin vom Kirtorfer Institut für angewandte Ökologie. Ob die bereits vorhandenen Schutzvorrichtungen richtig funktionieren, wird derzeit ebenfalls untersucht.
Der Tierschutz hat seinen Preis: Zehn Prozent der Baukosten, die von offizieller Seite mit 56,6 Millionen Euro beziffert wurden, entfielen allein auf den künstlichen Fischwanderweg.