Rund 500 Menschen leben nach Schätzung des Senats in der Stadt Bremen auf der Straße. Unter ihnen soll es 150 bis 200 EU-Bürger geben, vorwiegend aus Rumänien und Bulgarien. Diese Zahlen hat Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) am Dienstag in der Fragestunde der Stadtbürgerschaft mitgeteilt. Nicht bestätigen wollte die Senatorin kursierende Gerüchte um eine bevorstehende Räumung des Geländes am Güterbahnhof. Es handele sich um eine „komplexe Situation“, sagte Stahmann. Dazu hätten „Zwischenfälle mit offenem Feuer“ beigetragen. Nun wolle man eine Lösung finden, die die Menschen „nicht in Angst und Schrecken versetzt, sondern unterstützt“.
Die Fraktion der Linken hatte die Situation der Obdachlosen zum Thema gemacht. Keine Antwort gab es auf die Frage nach dem Anteil der Minderjährigen unter den Wohnungslosen. Darüber führt die Behörde laut Stahmann keine Statistiken und kann auch keine Schätzungen vornehmen. Allerdings versicherte Stahmann, gerade in der kalten Jahreszeit würde Kindern besondere Beachtung geschenkt. Unabhängig vom Leistungsanspruch könnten obdachlose Familien zumindest zeitweilig in Familienunterkünften unterkommen. „Da, wo Kinder sind, nehmen wir die Kinder auch in Obhut“, bekräftigte Stahmann. Dabei sei man bestrebt, es zu keiner Trennung kommen zu lassen. „Wir bemühen uns, Kinder und Familien zusammenzuhalten.“
Wie es allgemeiner Praxis entspreche, wird laut Stahmann auch bei obdachlosen EU-Bürgern aus Rumänien und Bulgarien der Anspruch auf Sozialhilfe individuell geprüft. „Wir können aber nicht dauerhaft Leute aufnehmen, die keine Sozialansprüche haben“, betonte Stahmann. In solchen Fällen könne es am Ende zur Rückkehr in die Heimatländer kommen. „Es werden dann Fahrkarten verteilt und die Menschen fahren zurück.“ Doch es gebe auch obdachlose EU-Bürger, die dieses Angebot nicht wahrnehmen wollten. „Manche wollen trotzdem bleiben und entziehen sich dann unserer Fürsorge.“
Keine präzise Antwort gab es auf die Frage von FDP-Fraktionschefin Lencke Steiner, ob Erkenntnisse über eine Verdrängungs- oder Wanderbewegung vom Hauptbahnhof in den Nelson-Mandela-Park vorliegen. Dieses Thema hat auch CDU-Beiratskandidat Kay Middendorf in einem offenen Brief an die Ortsamtsleitung aufgegriffen, er will es in der nächsten Beiratssitzung am Donnerstag erörtern. Seit Monaten gebe es Dauercamper im Nelson-Mandela-Park, der dauerhafte Aufenthalt müsse unterbunden werden. Sein Eindruck: Die aktuelle Bahnhofsplatz-Kampagne des Innensenators verfolge lediglich das Ziel, das bestehende Problem auf die Bahnhofsnordseite zu verlagern.
Sinkende Temperaturen erfordern mehr Wohnungen
Derweil fordert die Diakonie mit Hinweis auf die sinkenden Temperaturen mehr Wohnungen für Obdachlose. Die momentan vorhandenen 338 Plätze in Notunterkünften reichten für die Wohnungslosen schon allein wegen der zeitlichen Befristung des Aufenthalts bei weitem nicht aus. Stattdessen setzt die Diakonie auf mehr abgeschlossene Wohnungen speziell für Obdachlose.
Dafür Sorge zu tragen, sei Aufgabe des Sozialstaats. „Wir brauchen dringend mehr Wohnungen für Menschen, die auf dem Wohnungsmarkt Schwierigkeiten haben, eine Wohnung zu bekommen“, sagt Landesdiakoniepastor Manfred Meyer, Vorstand des Diakonischen Werks. Gerade für diese Zielgruppen müssten „jetzt Wohnungen zur Verfügung gestellt werden, damit die Situation in der kalten Jahreszeit nicht lebensbedrohlich“ werde.