Die Platzierung ist wieder herausragend, die Bewertung dagegen mittelmäßig: Bremen ist in der größten Radler-Befragung weltweit zum dritten Mal in Folge zur fahrradfreundlichsten Metropole der Republik gekürt worden – mit der Gesamtnote 3,6. Rang eins im Vergleich mit 13 weiteren deutschen Großstädten, die mehr als eine halbe Million Einwohner haben, wurde vor Frankfurt am Main und Hannover verteidigt.
Bremerhaven wiederum hat mit einer Note von 4,4 in der Kategorie kleiner Großstädte mit 100.000 bis 200.000 Einwohnern fünf Städte hinter sich lassen können und landete auf Platz 35. Platz zwei holte in dieser Kategorie die Uni-Stadt Göttingen, Rang vier ging an Oldenburg.
Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) hatte für seinen Fahrradklima-Test 2022 rund 245.000 Menschen zur Qualität von Radwegen, Erreichbarkeit von Stadtzentren, Ampelschaltungen, Baustellenführungen und vielem mehr befragt. Nur 16 Prozent der Abstimmenden seien ADFC-Mitglieder gewesen, teilt der Bremer Landesverband mit. In Bremen beantworteten 1125 Menschen die 27 Fragen des nicht repräsentativen Tests, in Bremerhaven waren es 284.
Fahrradklima-Test: Was Radfahrer in Bremen und Bremerhaven loben
„Dass Bremen mit einer Schulnote von Drei minus erneut die Liste der fahrradfreundlichsten Städte anführt, sagt viel über Bremen und noch mehr über das Fahrradklima in deutschen Städten aus“, sagt Landesgeschäftsführer Sven Eckert. Bundesweit bewerteten die Menschen das Fahrradklima mit der Gesamtnote 3,96, dieser Wert hat sich im Vergleich zur Erhebung 2020 leicht verschlechtert. Ein laut ADFC besorgniserregender Trend.
Besonders in den Metropolen sind Verbesserungen zu erkennen – etwa beim Angebot an öffentlichen Rädern oder bei Abstellanlagen –, während es im ländlichen Raum keine Verbesserung des Fahrradklimas gibt. Den leichten Aufwärtstrend in den Metropolen macht Ann-Kathrin Schneider, politische Bundesgeschäftsführerin des ADFC, an zwei Dingen fest: Radfahrerinnen und Radfahrer fühlten sich einerseits immer mehr als Verkehrsteilnehmer akzeptiert. Zum anderen funktioniere hier die Fahrradförderung, was sich zum Beispiel in der Verbreiterung der Radwege zeige.
In Bremen wie in Bremerhaven lobten die Befragten vor allem die Erreichbarkeit der Innenstädte per Fahrrad und die Öffnung der Einbahnstraßen für ihre Gefährte. Schlechte Noten gab es jedoch für alle Aspekte, die mehr oder weniger mit Sicherheit zusammenhängen: Breite der Radwege und Kontrolle von Falschparkern, Baustellenführung und Ampelphasen. Auch Fahrraddiebstahl wird von den Befragten als großes Problem angegeben.
„Die Anpassung der Rad-Infrastruktur an die geänderten Anforderungen durch Kinderanhänger, Lastenräder, schnelle Pedelecs und die E-Scooter, mit denen sich die Radfahrerenden die Wege teilen müssen, ist dringend erforderlich“, sagt Fahrrad-Lobbyist Eckert. Er findet lobende Worte für die Mobilitätssenatorin und Grünen-Spitzenkandidatin Maike Schaefer: „Durch den Ausbau der Premiumrouten und Weserquerungen wird dies jetzt endlich angegangen – das ist sehr erfreulich.“
Schaefer sagt über die Auszeichnung: „Das beweist wie auch der große Fußgängerkongress in der vergangenen Woche in Bremen, dass wir bei der Verkehrswende auf dem richtigen Weg sind.“ Sie nannte den Rückbau der Martinistraße, die Fahrradpremiumroute am Wallboulevard oder am Osterdeich, die angeschobenen Planungen für die Fahrradbrücken und den Premiumradweg in der Neustadt.
Zudem wünscht sich der Bremer ADFC schärfere Kontrollen von Falschparkern: „Auch ein noch so breiter Radweg ist eine Gefährdung für Radfahrende, wenn er zugeparkt ist – da hilft auch keine Fahrradstraße und keine Premiumroute“, sagt Eckert. Hier sei Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) gefordert.
Auch Schaefer greift das auf: Hier müsse endlich die Straßenverkehrsordnung zwingender umgesetzt werden. Deren Neufassung war unter Bremer Leitung in der Verkehrsministerkonferenz vereinbart worden. Wer jetzt auf einem Schutzstreifen für den Radverkehr hält, zahlt 55 Euro. Werden dadurch Radfahrer behindert, sind es 70 Euro und ein Punkt im Flensburger Fahreignungsregister. Mit 80 Euro und einem Punkt wird bestraft, wer als Falschparker Radler gefährdet.
In beiden Städten des Bundeslandes nannten die Befragten unter den drei Hauptkritikpunkten die Oberflächen der Radwege: Sie erhielten Noten zwischen 4,5 und 5,1. Senatorin Schaefer verspricht, hier besser zu werden, „wenn wir die Fahrradpremiumrouten noch stärken angehen können“. Trotz der Spitzenplatzierung müsse die Landesregierung also noch einiges tun, „wenn Bremen seinen seit Jahren stagnierenden Radverkehrsanteil erhöhen will“, mahnt der hiesige ADFC. Der Club erinnert daran, dass laut Beschluss der Klima-Enquetekommission eine Steigerung um zehn Prozent bis 2038 das Ziel sei.
Der Fahrradklima-Test wird vom ADFC alle zwei Jahre mit Unterstützung des Bundesverkehrsministeriums durchgeführt; 2022 fand er zum zehnten Mal statt. 1114 Städte kamen in die Wertung, laut ADFC mehr als jemals zuvor. Ebenso hätten mit 245.000 Menschen so viele Personen an der Befragung teilgenommen wie nie. Johannes Wallat, Pressereferent beim ADFC, wertete dies als Zeichen, dass das Interesse am Radfahren immer größer werde und das Fahrrad als Verkehrsmittel an Bedeutung gewinne. Damit fundierte Ergebnisse erzielt werden, müssen pro Stadt mindestens 50, bei größeren Städten mindestens 75 beziehungsweise 100 Abstimmungsergebnisse vorliegen.
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