Ausbau und Verbesserung der Bremer Radinfrastruktur könnten in den nächsten 15 Jahren etwa 370 Millionen Euro kosten. Zu diesem Ergebnis kommen die Landesverbände des BUND und des ADFC in einer Analyse, die sie laut eigener Aussage gemeinsam mit externen Verkehrsexperten vorgenommen haben. Der Prognose zufolge müsste Bremen zwischen 150 und 170 Millionen Euro selbst zahlen – die restlichen Kosten wären demnach förderfähig. Konkret umfasst die Kalkulation den Bau von acht Radpremiumrouten und drei Weserbrücken sowie die Kosten für das bestehende Radverkehrsnetz.
BUND und ADFC kritisieren, dass politische Versprechungen zum Radverkehr zu langsam umgesetzt würden. In diesem Kontext ist auch die Analyse zu betrachten: Sie orientiert sich an der Frage, welche Zeitpläne noch haltbar seien – und welche Bedingungen dafür erfüllt werden müssten. Die bislang kommunizierten Pläne, die einen Bau der Radinfrastruktur bis spätestens 2030 vorsähen, sind laut Analyse "mittlerweile völlig unrealistisch geworden". Nächster Zielzeitpunkt ist deshalb das Jahr 2038, in dem Bremen klimaneutral sein will. Bis dahin sei es noch möglich, Versprochenes vollständig umzusetzen, so die Prognose.
Personalmangel als Problem
Dafür müssten "entsprechende Finanzmittel dauerhaft bereitgestellt" werden. Die Analysten kalkulieren für die Radpremiumrouten einen Bremer Eigenanteil von 40 Millionen Euro; für die Weserbrücken kämen 20 Millionen Euro hinzu. Weitere 90 bis 110 Millionen Euro entfielen auf das bestehende Radnetz, das kaum förderfähig sei. Zusammengerechnet ergeben sich daraus zehn bis 11,5 Millionen, die Bremen bis 2038 jährlich in den Radverkehr investieren müsste. "Inwiefern die Kostenabschätzungen von ADFC und BUND real sind, lässt sich kaum sagen. Die aktuelle Baukostenexplosion hat auch niemand vorhergesagt. Darum werden wir uns an solchen langwierigen Spekulationen nicht beteiligen", so Enno Eike Nottelmann, Staatsrat im Mobilitätsressort.
Das Finanzielle sei nicht das größte Problem, sagt ADFC-Landesgeschäftsführer Sven Eckert. Die wesentliche Herausforderung macht er an anderer Stelle aus: Wer soll das Radverkehrsnetz planen, wer soll den Ausbau vorantreiben? Der Stadt fehlen Experten, berichtete der WESER-KURIER bereits im Herbst 2021. BUND und ADFC sehen einen Bedarf von 50 bis 75 zusätzlichen Stellen, um die Radverkehrsziele erreichen zu können – mehr als die Hälfte davon werde für Planung und Bau der Premiumrouten benötigt. Wie die Stellen besetzt werden sollen, bleibt unklar. Ausreichend qualifiziertes Personal zu finden, sei derzeit die größte Herausforderung, sagt Nottelmann.
"Wir müssen jetzt im großen Umfang handeln", fordert BUND-Landesgeschäftsführer Martin Rode. In der Analyse heißt es: "Bei der bisherigen Umsetzungsgeschwindigkeit wird Bremen mit seinen Zielen im Verkehrsbereich für die Klimaneutralität bis 2038 krachend scheitern." Als Negativbeispiel nennt der BUND-Landesvorsitzende Dieter Mazur die Fahrradbrücken über die Weser, deren Bau sich verzögert. Geplant sind Verbindungen vom Tiefer zur Neustadt (Wesersprung Mitte), von Hemelingen nach Arsten/Habenhausen (Wesersprung Ost) und von Woltmershausen zur Überseeinsel (Wesersprung West). Alles, was man bisher zu sehen bekommen habe, sei eine Fotomontage. Mazur bemängelt, dass die Verzögerungen nicht ausreichend kommuniziert worden seien. Er sei trotzdem optimistisch, dass die drei Brücken etappenweise bis zum Jahr 2038 fertig würden. Die Verkehrsbehörde stellt frühere Termine in Aussicht: Im Jahr 2027 sollen demnach die Wesersprünge Ost und Mitte fertig sein; für den Wesersprung West lasse sich noch kein Zeitpunkt nennen.
BUND und ADFC sehen Versäumnisse, die über die vergangene Legislaturperiode hinausgingen. "Die Sanierung und Ertüchtigung des vorhandenen Netzes ist seit Jahren absolut unzureichend", heißt es in der Analyse. Der Abschlussbericht der Klima-Enquetekommission sieht vor, dass jährlich rund zehn Prozent der Rad- und Fußwege renoviert werden sollen. Laut Eckert sind es derzeit etwa sechs bis zehn Kilometer pro Jahr – bei einem Gesamtnetz von rund 670 Kilometern. Die Vertreter der beiden Bündnisse fordern, "dass jetzt eine Fahrradinfrastruktur geschaffen wird, die nicht nur dem aktuellen Bedarf gerecht wird, sondern dem zukünftigen Fahrradaufkommen Rechnung trägt". Über die kommenden vier Legislaturperioden hinweg brauche es "Mut und überparteiliche Zusammenarbeit".