Bundesweit hat sich die Anzahl der Adoptionen innerhalb von 25 Jahren mehr als halbiert. Ein Grund könnte der Fortschritt in der Reproduktionsmedizin sein. „Viele haben heute einfach deutlich bessere Möglichkeiten, ein eigenes Kind zu bekommen“, sagt Iris Egger-Otholt, Leiterin der gemeinsamen Zentralen Adoptionsstelle Rheinland-Pfalz und Hessen. Das lassen auch Zahlen des deutschen IVF-Registers vermuten, das die Behandlungen der Kinderwunschzentren auswertet. Demnach gab es in 113 Zentren im vergangenen Jahr mehr als 108.000 Behandlungen; 2019 lag dieser Wert bei 99.000. Seit 1997 sind nach Angaben des Registers fast 320.000 Kinder zur Welt gekommen, die das Resultat einer solchen Behandlung sind. Das entspricht etwa der Größe der Stadt Münster.
Zudem werden immer weniger Kinder und Jugendliche für die Adoption freigegeben. Laut dem Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien liegt die Anzahl adoptionsbedürftiger Kinder seit mehreren Jahren auf einem niedrigen Niveau. Das könne mit dem Ausbau der Familienpolitik zusammenhängen, auch Ausdruck gestiegener Akzeptanz von Hilfen zur Erziehung sein.
Adoptionen von Kindern aus dem Ausland kamen 2019 in Bremen nicht vor. Auch bundesweit spielen sie mit 373 Vermittlungen eine kleine Rolle. Seit April schreibt das Adoptionshilfe-Gesetz vor, dass Vermittlung von ausländischen Kindern nur über Vermittlungsstellen für Auslandsadoptionen organisiert werden dürfen.
Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 3774 Kinder adoptiert. Das sind rund sechs Prozent weniger als zehn Jahre zuvor. Im Land Bremen kam es 2020 zu 23 Adoptionen; 2010 waren es 24. In Niedersachsen lag die Zahl der Vermittlungen 2019 bei 325; 2012 waren es 370.
Häufig werden Kleinkinder und Säuglinge adoptiert. Von allen Adoptionen im vergangenen Jahr waren in 48 Prozent der Fälle die Kinder drei Jahre alt oder jünger. Das geht aus aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) hervor. Auch Bremen ist keine Ausnahme. Konkrete Zahlen gebe es derzeit aber nicht, heißt es bei der Senatorin für Soziales.
Dass die Zahlen bei jungen Kindern steigen, hat laut Destatis vor allem mit dem Wandel in Stieffamilien zu tun. Stiefväter und -mütter würden inzwischen deutlich häufiger als früher auch bereits Säuglinge oder Kleinkinder adoptieren. 2010 wurden 203 Adoptivkinder im Alter von unter drei Jahren durch einen Stiefelternteil adoptiert, 2020 traf dies auf 933 Kinder dieser Altersgruppe zu. „Insgesamt hat der Anteil der Stiefelternadoptionen in den vergangenen Jahren zugenommen“, sagt auch Wolf Krämer aus dem Sozialressort.
Carmen Thiele von Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien (Pfad) weist auf eine Besonderheit hin: „Auffallend ist, dass die Anzahl von Säuglingen bei der Stiefkindadoption sehr hoch ist.“ 2020 wurden 489 Säuglinge im Rahmen einer Stiefkindadoption angenommen, das waren fast 13-mal so viele wie zehn Jahre zuvor (2010: 38 Säuglinge).
Laut Thiele kann das auf den Kinderwunsch bei homosexuellen Paaren zurückgeführt werden. Wenn etwa bei einem Frauenpaar eine der beiden das Kind austrage, müsse die andere Frau eine Stiefkindadoption beantragen, um den Status der Elternschaft zu erreichen. Zudem sei denkbar, dass das Thema Leihmutterschaft zu dieser Entwicklung beitrage, sagt Thiele. „Nachgewiesen ist das aber nicht.“ In Deutschland ist Leihmutterschaft verboten, in anderen Ländern nicht.
Nicht jeder, der ein Kind zu sich nehmen möchte, ist für eine Vermittlung geeignet. Voraussetzungen sind laut Bremer Amt für Soziale Dienste ein Mindestalter von 25 Jahren, ein sicheres Einkommen, genug Zeit für die Kindeserziehung, entsprechende Gesundheit sowie ein polizeiliches Führungszeugnis, das die Straffreiheit bescheinigt. Zudem heißt es in einem Infoschreiben: „Es dürfen keine parallelen medizinischen Verfahren zur Überwindung der eigenen Kinderlosigkeit verfolgt werden.“
In Bremen überprüft die Adoptionsstelle beim Amt für Soziale Dienste die Eignung der Bewerber und führt die Vermittlung von Kindern zu neuen Eltern durch. Die Prüfung erfolgt über die Teilnahme an einem Seminar, Gespräche sowie Hausbesuche. Danach werden die Adoptionswilligen als Bewerber anerkannt.
Laut Wolf Krämer gab es Ende des vergangenen Jahres fünf offene Adoptionsbewerbungen – also fünf Paare oder Einzelpersonen, die gerne ein Kind adoptieren möchten und die Herausforderungen erfüllen. Welche Adoptiveltern für ein Kind ausgewählt werden, bestimmen die Mitarbeiter der Adoptionsstelle. Wichtig ist nach eigenen Angaben, dass „die Entwicklung eines Eltern-Kind-Verhältnisses zu erwarten ist“.