Immerhin 25 von 35 Nachwuchs-Schachspielern verweist Jan-Okke Rockmann vom Schachklub Bremen-Nord bei einem Simultan-Turnier im großen Saal der Grundschule Alt-Aumund in die Schranken. Da sich der ehemalige Deutsche U-10-Meister aber jeweils nur zwei bis drei Sekunden Zeit lässt, um auf die Züge der Kontrahenten zu reagieren, stellen die acht Niederlagen und zwei Remis auch keinen Beinbruch dar.
„Ich habe heute ganz doofe Sachen angestellt“, zeigt sich der ehemalige Deutsche U-10-Meister im Schach, Jan-Okke Rockmann vom Schachklub Bremen-Nord (SKBN), angesichts von acht Niederlagen und zwei Unentschieden selbstkritisch. Soeben hat er im Rahmen der Bremer Jugendmeisterschaften in der Grundschule Alt-Aumund ein Simultan-Turnier gespielt – mit 35 Gegnern. Im Eiltempo ist der Elfjährige von Brett zu Brett gehuscht.
Viel Zeit zum Überlegen bleibt da nicht. Jan-Okke Rockmann schaut sich ein Brett an und erfasst in Sekundenschnelle die Situation. Wer nicht genau hinschaut, sieht gar nicht, wie der Youngster eine Figur bewegt und schon wieder vor dem nächsten Brett steht. Der Nordbremer beginnt konzentriert. Bereits nach einer knappen halben Stunde lichten sich die Reihen an den zu einem großen Kreis geformten Tischen.
Einer von den ersten Besiegten ist Joshua Sinnhöfer. „Er hat meine Dame geschlagen. Ich habe es gar nicht kommen sehen“, erklärt der Siebenjährige, der immerhin auch bereits über eine Erfahrung von zwei Jahren im Schachsport verfügt. Bereits nach 18 Zügen gibt er sich geschlagen. „Es stand total blöd für mich. Ich möchte auch mal so gut Schach spielen können wie Jan-Okke“, sagt er.
Einer, der sich ebenfalls über die Gedankenkünste von Jan-Okke wundert, ist sein eigener Vater, Claas Rockmann-Buchterkirche. Er schaut seinem Sohn beim Simultan-Turnier ebenso fasziniert wie die anderen Zuschauer über die Schulter. Auch wenn der 41-Jährige selbst ein passionierter Schachspieler ist, stellt sein Filius oft genug ein Rätsel für ihn dar: „Jan-Okke hat etliche Stellungen im Kopf. Ich könnte mir das alles gar nicht merken.“
Der Führende der Deutschen U-12-Rangliste habe einst die Informationen aus Schachzeitungen beim Großvater Wilfried Buchterkirche wie ein Schwamm aufgesogen, so Claas Rockmann-Buchterkirche. Schlagen kann der Vater seinen Sohn schon lange nicht mehr.
Vor drei Jahren besiegte der Senior den begnadeten Schachspieler bei einem Simultan-Turnier das letzte Mal. Aber schon damals hätte er Jan-Okke nicht mehr in einem normalen Einzel bezwungen. Anfang des Jahres trafen Vater und Sohn bei einem Blitz-Schachturnier bereits in der ersten Runde aufeinander. Es dauerte gerade mal fünf Minuten, ehe das riesige Schachtalent seinen Vater klar in die Schranken verwies.
Jan-Okke eilt in dem großen Saal der Grundschule weiter von Sieg zu Sieg. Doch dann unterläuft dem Elfjährigen der erste große Fehler. Marvin Grone vom Schachklub Bremen-West (SKBW) gelingt als erstem Spieler ein Sieg über den großen Favoriten. Fair reicht Jan-Okke Rockmann dem Gewinner die Hand und gratuliert. „Ich habe ihn mit der Dame matt gespielt“, frohlockt Marvin Grone. Der Zehnjährige spielt seit zweieinhalb Jahren Schach. „Bei einem normalen Spiel hätte ich aber keine Chance gegen Jan-Okke gehabt“, räumt der Gröpelinger ein. Nach so viel Nachdenken ist Marvin Grone erst mal nach Bewegung zumute. Zusammen mit den bereits besiegten Spielern tobt er sich auf dem benachbarten Bolzplatz aus. Für Jan-Okke ist indes noch lange nicht Schluss.
Theis Pahl stellt den Ausnahmespieler vor ein weiteres Problem. Die Situation ist vertrackt. Der Neunjährige bietet Jan-Okke Rockmann ein Remis an. Rockmann nimmt die ausgestreckte Hand des Kontrahenten aber nicht an und kämpft weiter um den Sieg. Ein paar Runden später geht der Schach-Jungstar aber doch noch auf das Remis-Angebot ein. Nach und nach muss Jan-Okke Rockmann zusätzliche Bretter verloren geben. Marco Tammen ringt ihm ein weiteres Remis ab. Auch Ravi Stimatz reibt sich bereits die Hände: „Jan-Okke hat noch zwei Bauern. Wenn ich ihm die auch noch wegnehme, hat er verloren.“ Es kommt, wie er es geplant hat. Der Neunjährige gewinnt ebenfalls.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Kreises sieht derweil Lokalmatador Miguel Scheibler mit großer Freude einem Sieg entgegen. Der Klubkollege von Jan-Okke Rockmann bemerkt einen weiteren Fehler seines Vereinskameraden: „Jan-Okke hat einen Läufer eingestellt.“ Das Riesentalent hatte also kurz zuvor einmal nicht aufgepasst und eine Figur ohne Gegenwehr verloren. Der 14-Jährige gehört am Ende zu den acht Besiegern von Jan-Okke Rockmann.
Angesichts von nur zwei bis drei Sekunden, die sich der Elfjährige Zeit nahm, um auf den jeweiligen Zug der Konkurrenten zu reagieren, sind die immerhin 25 Siege in 35 Partien dennoch ein großer Erfolg. Er nimmt seine acht Niederlagen auch gelassen: „Ich sollte ja extra schnell spielen, damit das für die Kinder nicht so langweilig ist, wenn sie so lange auf mich warten.“ Claas Rockmann-Buchterkirche sah seinen Sohn allerdings auch schon schneller spielen: „Im Vergleich zu einem Turnier im Rahmen des Kindertages auf der Bürgerweide vor drei Jahren hat sich Jan-Okke heute richtig viel Zeit gelassen.“ Im Schnitt hatten die Sieger aber dennoch etwa zehnmal mehr Bedenkzeit als Jan-Okke.