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Pflege Bremer Bestandsaufnahme nach Heimbetreibern

Das Sozialressort hat die Prüfungen der Heim- und Betreuungsaufsicht aufgrund einer gemeinsamen großen Anfrage von SPD, Grünen und Linkspartei erstmals mit Blick auf die Träger der Einrichtungen ausgewertet.
16.08.2022, 05:00 Uhr
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Bremer Bestandsaufnahme nach Heimbetreibern
Von Timo Thalmann

In privaten Pflegeheimen in Bremen wurden von der Heim- und Betreuungsaufsicht in den zurückliegenden fünf Jahren häufiger Mängel festgestellt als in Einrichtungen in gemeinnütziger Trägerschaft. Die Zahl der Beschwerden von Bewohnern aus diesen Häusern liegt ebenfalls höher. Zudem betrafen alle Belegungsstopps und Belegungsobergrenzen, die von der bremischen Wohn- und Betreuungsaufsicht ausgesprochen werden mussten, ausschließlich private überregional tätige Träger. Das geht aus einer Auswertung des Sozialressorts vor, die als Antwort auf eine Große Anfrage der Koalitionsparteien an diesem Dienstag im Senat beraten wird.

Die Anfrage ist der Versuch, eine Bestandsaufnahme der Pflegelandschaft in Bremen zu erhalten. Vor allem die Rolle überregionaler, privater Anbieter bei der „Kommerzialisierung der Pflege“ wollen Sozialdemokraten, Grüne und Linkspartei in den Blick nehmen. Die drei Fraktionen hatten zuvor in einem gemeinsamen Antrag in der Bürgerschaft gefordert, dass sich der Senat im Bund unter anderem für Begrenzungen bei der Rendite privater Pflegeanbieter einsetzt.

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Der Bremer Pflegewissenschaftler Karl-Heinz Rothgang sieht in der Auswertung von Beschwerden und Mängeln in Bezug auf die jeweilige Trägerschaft der Einrichtung einen „interessanten Indikator“, um auf strukturelle Qualitätsunterschiede hinzuweisen. Nach seinem Kenntnisstand sei dies systematisch noch nirgendwo gemacht worden. Weitere Befunde aus der Antwort des Sozialressorts findet er dagegen „wenig überraschend.“ Dazu zählt etwa die Feststellung, dass private Anbieter in den zurückliegenden 25 Jahren immer größere Anteile an der Pflege übernommen haben. Das gilt in Bremen ebenso wie bundesweit.

Wie teilt sich die Pflege in Bremen zwischen privaten und gemeinnützigen Trägern auf?

Zwischen 1995 und 2019 hat sich die Zahl der privaten vollstationären Pflegeeinrichtungen im Land Bremen nahezu verdoppelt, während die gemeinnützigen Anbieter etwa 50 Prozent zugelegt haben. Der Marktanteil der Privaten liegt damit bei rund 45 Prozent. Von den seit 1995 neu entstandenen 34 Pflegeheimen sind 23 privaten Anbietern zuzurechnen. Betrachtet man die Zahl der Pflegeplätze, ist der private Anteil höher. Er liegt im Juli 2022 im Land Bremen bei 51,3 Prozent.

Welche auffälligen Unterschiede zwischen privaten und gemeinnützigen Anbietern gibt es?

Da der Anteil an den Pflegeplätzen bei den Privaten deutlich über ihrem Anteil an den Einrichtungen liegt, betreiben die privaten Anbieter in Bremen im Schnitt die größeren Häuser. Der sogenannte Median als Mittelwert liegt hier bei 78 Betten je Einrichtung. Bei den Gemeinnützigen beträgt der Wert 56. Das weicht nach Darstellung des Verbands privater Anbieter sozialer Dienste vom bundesweiten Trend ab. Danach unterhalten die privaten Betreiber im Schnitt kleinere Einrichtungen als die Wohlfahrtsverbände.

Laut Auswertung des Sozialressorts ist bei den Privaten zudem durchgehend eine niedrigere Zahl von zusätzlichen Hilfskräften angestellt. Sie sollen die Bewohner in der Freizeit betreuen und aktivieren. Solche Helfer sind in 59 Prozent der gemeinnützigen Einrichtungen zu finden, in den privaten Häusern sind es 22 Prozent.

Wie unterscheiden sich private und gemeinnützige Anbieter bei den Kosten?

Private Anbieter sind laut der Erhebung des Sozialressorts im Schnitt günstiger als die gemeinnützigen Anbieter, vor allem beim sogenannten einheitlichen Einrichtungsanteil für die Pflegekosten. Das ist der Teil der Zuzahlung, mit denen Pflegekosten beglichen werden, die die Pflegeversicherung nicht bezahlt. Dieser Anteil unterscheidet sich von Pflegeheim zu Pflegeheim, ist im jeweiligen Haus aber unabhängig vom Pflegegrad immer gleich. Der Mittelwert beträgt bei den Privaten rund 540 Euro pro Monat, bei den gemeinnützigen Anbietern fast 1050 Euro.

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Der Befund entspricht laut Rothgang dem bisherigen Geschäftsmodell der privaten Anbieter, durch Abstriche etwa bei der Personalausstattung möglichst preisgünstig zu agieren. Zugleich hält der Pflegewissenschaftler diesen Ansatz für ein Auslaufmodell. „Anders als vor 25 Jahren, als der Pflegemarkt für Private geöffnet wurde, ist es heute nicht mehr das Problem, pflegebedürftige Kunden zu gewinnen, sondern das Pflegepersonal zu finden.“ Eine dünne Personaldecke bedeute immer unattraktive Arbeitsbedingungen, sodass sich die Privaten hier seiner Einschätzung nach umstellen dürften. Damit stiegen auch dort die Zuzahlungen, soweit die Politik diesen Aspekt nicht neu reguliere.

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