Die Corona-Pandemie hat deutliche Spuren in der Arbeit der Bremer Heim- und Betreuungsaufsicht hinterlassen. Für das Jahr 2020 vermeldet der aktuelle vorgelegte Tätigkeitsbericht der Aufsichtsbehörde für die Pflegeeinrichtungen im Land lediglich 92 anlassbezogene Prüfungen, die nichts mit Corona zu tun hatten. In den Jahren drei Jahren davor pendelte die Zahl zwischen 210 und 220 Kontrollen in den rund 100 Häusern. Anlassbezogenen Prüfungen werden durch Beschwerden von Bewohnern und Angehörigen ausgelöst.
Vollständig ausgesetzt wurden 2020 die sogenannten Regelprüfungen, bei denen die Häuser ohne konkreten Anlass umfassend kontrolliert werden. Schon in den Jahren davor war die Zahl dieser Prüfungen klein: 2017 gab es acht, 2018 vier und 2019 nur noch zwei Regelprüfungen in Bremen und Bremerhaven. Umso überraschender daher jetzt die Bilanz des vorigen Jahres, denn für 2021 wurden 53 Regelprüfungen und 222 Kontrollen aufgrund von Beschwerden gezählt.
Allerdings hat sich die Definition der Regelprüfung geändert: Wurden bislang standardmäßig zehn vorgeschriebene Bereiche unter die Lupe genommen, können die Prüfer nun Schwerpunkte setzen. Mit dem allgemeinen Zustand in der Einrichtung und ihrer Bewohner, der personellen Ausstattung sowie dem Umgang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen sind nur noch drei Aspekte verbindlich vorgegeben. Ob zum Beispiel die Pflege korrekt dokumentiert wird oder die Bewohner ihre Mitwirkungsrechte so wahrnehmen können, wie im Gesetz vorgesehen, ist nicht mehr in jedem Fall Gegenstand der Prüfung.
"Die Behörde wird ihrer Kontrollfunktion so nicht mehr gerecht", kritisierte Sigrid Grönert, sozialpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft. Sie bemängelt außerdem, dass die Regelprüfungen nun nicht mehr vergleichbar seien, da sich die Prüfungsinhalte offenbar von Einrichtung zu Einrichtung unterscheiden. "Als Instrument der Orientierung in Sachen Pflegequalität fallen sie damit aus."
Der Tätigkeitsbericht trifft mit einer grundsätzlichen Diskussion über die künftige Rolle der Wohn- und Betreuungsaufsicht zusammen. Denn das zugehörige Landesgesetz ist bis Jahresende befristet und soll geändert werden. Die Opposition sähe den Charakter der Behörde als prüfende Instanz gerne gestärkt. Häufiger als bislang sollte auf Mängel mit Sanktionen reagiert werden. Derzeit weist das Gesetz der Behörde eine stark beratende Funktion zu, die bei Problemen zunächst auf die Kooperation mit dem jeweiligen Träger der Pflegeeinrichtung setzt.
Diese Ausrichtung trifft allerdings auf eine Pflegelandschaft im Wandel – auch in Bremen. Mittelständisch geprägte, inhabergeführte Pflegeheime gibt es neben Trägern aus den Wohlfahrtsverbänden immer weniger, stattdessen sind Pflegekonzerne gewachsen, die zum Teil Hunderte von Einrichtungen betreiben, auch international agieren und vor allem an hohen Renditen interessiert sind und dementsprechend ihren Pflegeaufwand möglichst knapp kalkulieren. "Ich glaube nicht, dass es vor diesem Hintergrund eine Lösung ist, die Aufsichtsbehörde immer weiter aufzurüsten", sagt Birgit Pfeiffer, sozialpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion in der Bürgerschaft.
Die drei Koalitionsparteien fordern daher in einem gemeinsamen Bürgerschaftsantrag, dass sich der Senat im Bund für veränderte Rahmenbedingungen einsetzt. Genannt werden unter anderem Begrenzungen bei der Rendite und ein Ende des Vorrangs privater Pflegeeinrichtungen vor kommunalen Angeboten.