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Studien von Kammer und Wohlfahrtsverband Armutslage verschärft sich

In den Armutsberichten ist Bremen schon lange Schlusslicht - im ersten Corona-Jahr 2020 kam hinzu, dass auch immer mehr Erwerbstätige an oder unter der Armutsschwelle leben müssen.
16.12.2021, 14:44 Uhr
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Armutslage verschärft sich
Von Joerg Helge Wagner

Durch die Corona-Pandemie ist in Bremen der Anteil besonders einkommensschwacher Einwohner noch einmal gestiegen. Das belegen Untersuchungen der Arbeitnehmerkammer und des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands, die am Donnerstag veröffentlicht wurden. Betroffen sind nicht nur Arbeitslose und Rentner, sondern zunehmend auch Erwerbstätige.

Mit 28,4 Prozent Armutsgefährdeten sei das Bundesland Bremen im Jahr 2020 "deutlich negativer Spitzenreiter" und "weit abgeschlagen", heißt es im Bericht des Paritätischen. Demnach sind bundesweit 13,4 Millionen Menschen oder 16,1 Prozent der Bevölkerung arm. „Bremens Quote liegt fast acht Prozentpunkte über den auch hohen Quoten der Bundesländer Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt", betont Wolfgang Luz, Vorstand des Paritätischen Bremen.

Nicht mehr Menschen auf Sozialleistungen angewiesen

Die Zahlen des Paritätischen Gesamtverbandes beruhen auf dem Mikrozensus, also der jährlichen Haushaltsbefragung durch die Statistischen Ämter von Bund und Ländern. Als arm gilt, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens (Median) erreicht. Dazu zählen Menschen, die von Arbeitslosengeld II leben oder auch ein geringes Einkommen haben. 2020 lag diese Schwelle für einen Ein-Personen-Haushalt bei 1126 Euro, bei einer Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren bei 2364 Euro.

„Positiv ist, dass trotz der Pandemie nicht mehr Menschen auf Sozialleistungen angewiesen waren", sagt Ingo Schierenbeck, Hauptgeschäftsführer der Arbeitnehmerkammer Bremen. "Trotzdem hat aber die Corona-Krise bei vielen Erwerbstätigen zu deutlichen Einkommenseinbußen geführt. Für viele reicht das Einkommen nicht aus, um über die Armutsschwelle zu kommen.“

Die Zahl der Bezieher von staatlichen Mindestsicherungsleistungen wie Arbeitslosengeld II ("Hartz IV") stagniert bei rund 120.000 Menschen, das ist etwa jeder fünfte Einwohner. In Gröpelingen, Osterholz und Hemelingen ist die Zahl laut Arbeitnehmerkammer leicht gesunken, während sie in Huchting, Burglesum und Blumenthal leicht anstieg.

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Die Kammer betont jedoch, dass mehr Menschen einkommensarm seien: "Viele Beschäftigte sind im Niedriglohnsektor oder in Teilzeit beschäftigt und verbleiben trotz Erwerbstätigkeit unter der Armutsgrenze." Nach Angaben der Arbeitnehmerkammer gab es im vorigen Jahr in Bremen 15.581 Beschäftigte, deren Lohn nicht zur Existenzsicherung reichte und der deshalb mit staatlichen Leistungen aufgestockt werden musste. Nur 44 Prozent der Bezieher von Sozialleistungen seien tatsächlich arbeitslos. Unter Einkommensarmut litten  2020 in Bremen 15 Prozent der Erwerbstätigen, während es deutschlandweit nur knapp neun Prozent gewesen seien.

Alleinerziehende haben höchstes Armutsrisiko

Dabei hätten vor allem das Kurzarbeitergeld, aber auch das Arbeitslosengeld I durchaus zur Armutsbekämpfung beigetragen, heißt es vom Paritätischen. Diese Instrumente wirkten allerdings nicht bei Personen, die nur prekär beschäftigt sind und in Coronazeiten ihre Jobs verloren haben. „Da liegt die Vermutung nahe, dass die hohe Armutsgefährdungsquote in Bremen auch damit zusammenhängt“, erläutert Wolfgang Luz.

Das höchste Armutsrisiko von allen Haushalten zeigten jene von Alleinerziehenden: In Bremen sind es mit 57,4 Prozent weit mehr als die Hälfte, im Bundesdurchschnitt immer noch 40,5 Prozent. Auch Minderjährige litten sehr häufig unter Armut: In Bremen liege die Quote mit 42 Prozent mehr als doppelt so hoch wie im Bund. Ein Corona-Kinderbonus von 300 Euro pro Kind wurde 2020 in der zweiten Jahreshälfte ausgezahlt und auch nicht mit Hartz-IV-Leistungen verrechnet, wie es sonst üblich ist. Beide Institutionen fordern eine Kindergrundsicherung und erhebliche Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes für Erwachsene auf mindestens 600 Euro. Beschlossen ist zum Januar allerdings nur eine Erhöhung um drei auf dann 449 Euro monatlich.

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