Seit dem 15. November darf die Bremer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) wieder über Asylanträge entscheiden. An dem Tag ist für die Behörde eine Zeit zu Ende gegangen, die sich den Mitarbeitern auf ewig eingebrannt haben dürfte. Der sogenannte Bamf-Skandal machte über Monate bald jeden Tag neue Schlagzeilen und wurde in Berlin für politische Zwecke instrumentalisiert. Mittlerweile hat sich die Aufregung um mutmaßlich gefälschte Asylbescheide zwar gelegt, ausgestanden ist die Sache aber noch lange nicht.
Die Polizei setzt unverändert ihre Ermittlungen fort und leistet dabei einen wahren Kraftakt: 43 Beamte sind seit Monaten damit beschäftigt, dem Verdacht nachzugehen, dass in der Außenstelle in Vegesack gegen das Asylgesetz verstoßen wurde. Außerdem geht es um den Vorwurf der Bestechung und Bestechlichkeit.
Im Fokus der Nachforschungen stehen Ulrike B., die frühere Leiterin der Außenstelle, drei Rechtsanwälte, ein Dolmetscher und ein Vermittler. Die Mitarbeiter der Ermittlungsgruppe „Antrag“ werden von der Polizei Bremen (24), der Bundespolizei (13) und der Polizei Niedersachsen (4) gestellt. Zwei Experten hat das Bamf geschickt, sie kommen selbstredend nicht aus der Bremer Außenstelle. „Die Ermittlungen werden intensiv geführt“, teilt die Polizei mit, „die Dauer ist prognostisch weiterhin auf mindestens neun Monate anzusetzen.“ Es sei die mit Abstand größte Ermittlungsgruppe, die von der Polizei Bremen in den vergangenen Jahrzehnten eingerichtet wurde.
Den Anfang der Affäre markierte am 20. April eine schnöde und knapp bemessene Pressemitteilung der Bremer Staatsanwaltschaft. Darin wurde von dem Verdacht der „bandenmäßigen Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragsstellung“ berichtet, wie die Juristen den Straftatbestand nennen. Die Beschuldigten sollen gemeinsame Sache gemacht haben, um Flüchtlinge schnell und komplikationslos durch die Asylverfahren zu lotsen – sei es allein aus dem Drang heraus, Menschen helfen zu wollen oder wegen noch anderer Motive, denen die Ermittler im Zusammenhang mit dem Vorwurf von Bestechung und Bestechlichkeit auf den Grund gehen.
Ulrike B. soll sich zum Beispiel von einem der Anwälte mehrfach Hotelübernachtungen bezahlt haben lassen. Die Regierungsdirektorin erklärt dazu, dass das Geld lediglich ausgelegt worden sei und sie es später zurückgezahlt habe. Bei den Rechtsanwälten prüfen die Ermittler, ob sie von den Asylbewerbern pauschal und ohne konkrete Vergütungssätze entlohnt wurden.
Kein „flächendeckender Asylbetrug“
Ende September hatte eine Prüfkommission des Bamf die Ergebnisse ihrer Untersuchung zu den Vorgängen in der Bremer Außenstelle vorgestellt. Das Ergebnis: kein „flächendeckender Asylbetrug“, wohl aber Manipulation in mehr als 100 Fällen. Vor allem, so der Bericht, handele es sich um ein „fehlgeleitetes Amtsverständnis der Akteure“. Viel kriminelle Energie lässt sich daraus nicht ableiten.
Und die Zahl der Manipulationsfälle ist im Vergleich zur Gesamtheit der rund 18 000 überprüften Asylanträge eher gering. Trotzdem sprach sich der neue Bamf-Chef Hans-Eckhard Sommer im Innenausschuss des Deutschen Bundestages, dem der Prüfbericht präsentiert wurde, gegen eine Entwarnung aus: „Es hat in Bremen erhebliche Missstände gegeben“, stellte Sommer fest.
Erste Beschwerden über die Arbeit der Bamf-Außenstelle in Vegesack hatte es bereits vor mehr als vier Jahren gegeben. Grund war der Fall von zwei irakischen Jesiden. Ihnen war von der Oldenburger Filiale des Bamf die Anerkennung als Asylbewerber verwehrt worden. Die Bremer waren in das Verfahren hineingegrätscht und hatten positiv entschieden, den beiden Jesiden wurde auf diese Weise doch noch Schutz gewährt – zum großen Missfallen der Oldenburger Behörde, die sich wegen des Vorgangs bei der Bamf-Zentrale in Nürnberg beklagte.
Im Juli 2016 wurde Ulrike B. ihres Amtes enthoben und später nach einem Disziplinarverfahren mit der Kürzung ihrer Bezüge bestraft. Sie blieb beim Bamf, wurde aber mit anderen Aufgaben betraut. Bis heute pocht die Beamtin darauf, unschuldig zu sein. Ihr sei es stets darum gegangen, dass Menschen in Not zählten, nicht blanke Zahlen. Im November 2017 erstattete das Bamf Strafanzeige bei der Bremer Staatsanwaltschaft. Seitdem laufen die Ermittlungen.