Die Stühle sind ordentlich auf die Tische gestapelt worden, das Kühlfach für die Getränke ist leer, alle Salz- und Pfefferstreuer stehen fein säuberlich aneinandergereiht. Kein würziger Geruch liegt in der Luft, keine Geräusche kommen aus der Küche. An den knallgrünen Wänden hängen noch einige eingerahmte Bilder, doch auch die werden bald verschwunden sein.
Wenn Julia Krug sich im „Suppengrün“ umschaut, kommen ihr schnell Tränen in die Augen. „Es war schon immer mein Traum, so einen eigenen Laden zu haben. Wir gehen hier wirklich nur schweren Herzens raus“, sagt sie. Vor wenigen Tagen hatte die Suppenküche in der Hamburger Straße ihren letzten Tag.
Horst Krug sitzt neben ihr im leeren Restaurant. Er hat es mit seiner Tochter zusammen aufgebaut. Sie war für den Service zuständig und für die kalten Speisen, „Und sie war immer für einen Schnack über den Tresen zu haben“, sagt Horst Krug. Er hat den Einkauf gemacht und gelegentlich gekocht, wenn kein Koch da war.
Ein paar Dinge aus ihrer Zeit als Restaurantbesitzer wollen sie beide nicht verkaufen. Das glänzende „Suppengrün“-Logo, das an der Theke befestigt ist, zum Beispiel. Die Vorlage hatte Julia Krug eines Abends mit den Buntstiften ihres Sohnes gemalt: Lauch, eine Karotte und Grünkohl auf braunem Grund. Auch die große orientalische Lampe, die im Fenster des Ladens hängt, wird nicht zurückgelassen. „Das ist unser Hoffnungslicht“, sagt Julia Krug. Sie hat es vor zehn Jahren von einer Freundin geschenkt bekommen, als Glücksbringer.
Glückliche Erinnerungen an Kunden
Die Krugs fangen beide an zu lächeln, wenn sie sich an all die schönen Momente im Laden zurückerinnern: Wie an die eine Kundin, die in einer Woche eine ganze Quiche alleine aß, die jungen Fußballer, die das erste Mal als schlaksige Teenager an der Theke standen und Jahre später als ausgewachsene Männer immer noch vorbeikamen. Oder die werdenden Mütter, die im Winter immer wieder Grünkohleintopf bestellten. „Wenn ich sie später mit ihren Kindern auf der Straße wieder getroffen habe, habe ich immer gesagt: „Ah das Grünkohlbaby!“, sagt Julia Krug lachend.
Das Suppengrün war nicht immer an der Ecke von Hamburger Straße und Stader Straße zu finden. Angefangen haben Julia und Horst Krug auf einer kleinen Ladenfläche im Netto, 50 Meter entfernt. Und nicht alle waren sofort begeistert von ihrer Geschäftsidee. Julia Krug erinnert sich an die skeptische Einstellung einer Freundin: „Suppenküche, das hört sich ja komisch an. Meinst du das wird was?“
Aber die alleinerziehende Mutter ließ sich von ihrem Ziel nicht abbringen. Es sollte gerade eine Suppenküche werden, denn: „Ich habe während meiner Ausbildung zur Hotelfachfrau immer am liebsten in der Küche gearbeitet und außerdem liebte mein damals zweijähriger Sohn meinen Spitzenrübeneintopf so sehr.“ Auch war ihr immer wichtig, dass es ein Familienbetrieb wird. Ohne Alkohol und nicht bis 22 Uhr geöffnet, dafür mit hausgemachtem Mittagessen.
„Wir sind dann in dem kleinen Laden recht bald aus allen Nähten geplatzt“, erinnert sich Julia Krug. Schnell hätten sie sich einen festen Kundenstamm aufgebaut und den dann gleich beim Umzug mitgenommen. Die Bremerin schätzt, dass etwa 70 bis 80 Prozent der „Suppengrün“- Besucher Stammkunden waren, insbesondere Mitarbeiter von den umliegenden Firmen.
Seit vier Jahren nun schon wolle er eigentlich nicht mehr weitermachen, sagt Horst Krug, der dieses Jahr seinen 71. Geburtstag feiert. „Es hat mir immer sehr viel Spaß gemacht, aber dieses Ruhe- und Rastlose, das muss ich nicht mehr haben.“ Das Schöne an einem Familienunternehmen sei die Atmosphäre, für Kinder, Heranwachsende, werdende Mütter und auch für ältere Menschen. „Aber man muss eben immer selber da sein“, sagt Horst Krug. Dieser Druck habe auch sie als Mutter von zwei Söhnen sehr belastet, stimmt Julia Krug zu. Und das Gefühl von Zerrissenheit. „Mein großer Sohn ist hier aufgewachsen, der kennt das eigentlich gar nicht anders.“ Aber als sie ihn gefragt habe, ob er traurig ist, den Laden aufzugeben, habe er gesagt: „Ne Mama, ich habe ja dich.“
Nach vielem Überlegen haben sich die Krugs auch gegen einen Teilhaber oder einen neuen Inhaber entschieden. Stattdessen zieht nun ein Innenausstatter in die Räumlichkeiten ein. Julia Krug steht weiterhin zu ihrem Entschluss: „Wir haben es gemeinsam aufgebaut und beenden es auch gemeinsam – vorerst.“ Vorerst? Ja, sie schließe nicht aus, in ein paar Jahren das Suppengrün wieder aufzubauen. Aber zuerst wolle sie mehr Zeit mit ihren Söhnen verbringen, sagt Julia Krug.
Als der letzte Tag dann wirklich gekommen war, „hat es hier ausgesehen wie in einem Blumenladen“, erzählt Julia Krug. „Und während der ganzen vergangenen Woche haben sich noch so einige Gäste mit unserem berühmt-berüchtigten Vanille-Sahne-Quark eingedeckt.“ Manche mit vier oder gleich fünf Bechern. Eine Frau habe sogar gefragt ob man ihn einfrieren kann. „Ich musste ihr sagen, dass ich es nicht weiß. So weit ist es bei uns nie gekommen“, sagt Julia Krug.