Schon fast den Charakter einer Vorladung dürfte das Schreiben haben, das Verkehrssenatorin Özlem Ünsal (SPD) in nicht allzu ferner Zukunft ins Haus flattern wird. Denn der Vorsitzende des Petitionsausschusses, Claas Rohmeyer (CDU), ist nach eigenem Bekunden "stinksauer, dass die Verkehrsbehörde versucht, sich aus der Affäre zu stehlen". Rohmeyer sprach von einer Missachtung der Ausschussarbeit. Der Hintergrund: Zur Beratung der Petition zum Autoposing in der Überseestadt hatte die Verkehrsbehörde am Freitag lediglich einen untergeordneten Mitarbeiter des Amts für Straßen und Verkehr (ASV) ohne neue Vorschläge entsandt.
Seit Jahren drängen betroffene Anwohner auf wirksame Maßnahmen gegen die nächtliche Raserei in der Überseestadt. Einer von ihnen ist Zafer Seplin, dessen Petition bis zum 24. September insgesamt 1568 Menschen unterzeichnet hatten und die jetzt die parlamentarische Beratung durchläuft – die mittlerweile dritte Petition zum selben Thema. "Worauf wartet die Verkehrsbehörde, muss erst ein Kind angefahren werden?", fragte Seplin bei seiner Anhörung. Die Nachtruhe der Anwohner werde gestört, ihre Gesundheit gefährdet. Es sei unverständlich, warum diese Problematik nicht schon längst angegangen worden sei. Den Bürgern werde kein Gehör geschenkt, das sei sehr traurig.
Dass die Beschwerden über die Raserei ihre Berechtigung haben, bestätigte Andrea Twachtmann. Die Verkehrsreferentin im Innenressort sagte, die kritisierten Zustände seien objektiv so wie dargelegt, es handele sich nicht um ein subjektives Gefühl. Allerdings stoße die Polizei mit ihren Kontrollen und Geschwindigkeitsmessungen an ihre Grenzen. "Wir wissen auch nicht mehr, was wir noch tun sollen", so Twachtmann. Dem Verkehrsressort habe man mehrfach Vorschläge zur Lösung des Problems unterbreitet. Dazu gehörten verkehrsberuhigende Maßnahmen wie kissen- oder tellerartige Bremsschwellen ("Berliner Kissen" und "Kölner Teller"). "Vielleicht kann man auch den Rundumverkehr auf dem Kommodore-Johnsen-Boulevard vermeiden", sagte Twachtmann. Zu fragen sei zudem, ob auf der Überseepromenade überhaupt Verkehr stattfinden müsse.
Mit ihrer Geduld am Ende ist die Sprecherin des Beirats Walle, Brigitte Grziwa-Pohlmann (SPD). Die Raserei habe zugenommen, sagte sie. Von weiteren Gesprächsrunden verspricht sie sich nichts. "Das Problem darf nicht mehr hin- und hergeschoben werden, es muss etwas passieren – nicht erst 2030, sondern jetzt." Ihr Vorschlag: eine Hochplasterung der Straße, die jedoch von der BSAG abgelehnt werde. Zustimmung erhielt Grziwa-Pohlmann von den Ausschussmitgliedern Recai Aytas (SPD) und Kerstin Eckhardt (CDU). Auf "deutliche Hilfeschreie" aus der Überseestadt wies Eckardt hin. Deshalb sei es verwunderlich, dass aus der Behörde keine wesentlich professionellere Stellungnahme zu hören gewesen sei. Zumal zum Motorengeheul neuerdings auch Gehupe hinzukomme. Aus Sicht von Eckardt ist Eile geboten: Im Winter sei es ruhiger, im Frühjahr häuften sich die Vorfälle wieder. "Wir müssen die Zeit bis dahin nutzen."
Unterdessen gibt die Verkehrsbehörde in ihren schriftlichen Stellungnahmen zu verstehen, die eigenen Möglichkeiten, der Autoposer-Problematik beizukommen, seien erschöpft. In einem Brief an Rohmeyer schreibt Staatsrat Ralph Baumheier, die erhoffte Wirkung von Berliner Kissen oder Straßenschwellen sei ausgeblieben. Das Tempo werde erst kurz vor den Schwellen verlangsamt und danach wieder erhöht. Als Folge hätten sich Anwohner im Bereich der Schwellen beschwert. Zudem lösten die Schwellen erhebliche Erhaltungskosten sowie einen übermäßigen Aufwand für den Winterdienst aus. Bei Rettungsfahrten stellten Schwellen ein Hindernis dar. Daher werde vom Einbau von Schwellen und Kissen im öffentlichen Straßenraum abgesehen. Die Überseepromenade sei bereits verkehrsberuhigt. Für die Überwachung des fließenden Verkehrs sei die Innenbehörde zuständig.