Wer den Wall entlang spaziert, kommt unweigerlich an einer Stelle vorbei, die seit fast drei Jahren wie eine Wunde ist. Dort stehen rußgeschwärzte Brandruinen, die Überreste von drei ehemals stolzen Häusern. Sie sind im Mai 2015 durch ein Feuer komplett zerstört worden. Jetzt wird diese Wunde geschlossen. Der Eigentümer der Immobilien hat am Dienstag angekündigt, dass er in der Woche nach Ostern mit den Abrissarbeiten beginnt. Zwei Monate lang wird der Wall zwischen dem Herdentor und der Bischofsnadel für den Verkehr komplett gesperrt sein. Danach ist der Abschnitt bis Oktober nur einseitig und als Einbahnstraße befahrbar. Die Bauarbeiten werden sich bis zum Frühjahr 2020 hinziehen.
Die Adresse ist nicht irgendeine in der Stadt. Mehr als 100 Jahre residierte an dem Boulevard das Traditions-Textilhaus Harms am Wall. Dort war das Feuer ausgebrochen, die Tat von Brandstiftern, wie die Polizei schnell herausfand. Ein Prozess gegen den Inhaber des Kaufhauses endete mit einem Freispruch. Wer das Feuer gelegt hat, ist bis heute unbekannt. Verletzt wurde niemand, der Schaden war allerdings immens: rund 15 Millionen Euro.
Eigentlich sollten an dieser exponierten Stelle in der Innenstadt die kaputten Gebäude schnell angepackt werden. Doch dann entspann sich ein Hickhack zwischen dem Eigentümer, der Bremer Immobilien- und Baufirma Müller & Bremermann, und der Baubehörde. Unter anderem ging es um die Frage, ob Teile der historischen Fassaden erhalten bleiben und wieder eingebaut werden müssen. Müller & Bremermann lehnten das ab. Sie hatten Erfolg mit ihren Argumenten, mussten sich aber dem Diktat beugen, für den Neubau einen Fassadenwettbewerb zu veranstalten. Das Ergebnis wird jetzt umgesetzt.
Gesamtfläche von 5500 Quadratmetern
Statt der drei Häuser wird es in Zukunft eines sein. Nach Angaben des Eigentümers entsteht ein Komplex mit einer Gesamtfläche von 5500 Quadratmetern, die mit Einzelhandel und Büros belegt werden. Wohnungen sind offenbar nicht vorgesehen. Der Name des Projekts: Wallkontor.

Die Ruine des ehemaligen Geschäftshauses Harms am Wall. Die Abrissarbeiten sollen in Kürze beginnen.
"Wir freuen uns sehr, dass es gelungen ist, mit dem künftigen Wallkontor das geschützte Ensemble am Wall durch eine hochwertige Immobilie zu ergänzen", erklärt Bausenator Joachim Lohse (Grüne). Dazu beigetragen habe sicherlich der Fassadenwettbewerb. "Schön ist ebenfalls, dass die ehemalige Harms-Passage im künftigen Gebäude versetzt wird, dann in einer Flucht zur Museumstraße liegt und eine verbesserte Anbindung zu City schafft", so Lohse weiter.
Ein Aspekt, der auch vom Investor betont wird: "Eine architektonische Besonderheit bildet die neue Passage, die durch das Gebäude nunmehr direkt auf die dahinterliegende Museumstraße führt", heißt es in einer Pressemitteilung. Damit werde eine klar erkennbare und verbesserte Verbindung zwischen Wall und Schüsselkorb geschaffen. "Zudem bietet die Passage eine neue Chance zur Belebung und besseren Integration des Walls in das städtebauliche Innenstadtkonzept von Bremen."
Gute Nachrichten für die Geschäftsleute an dem Boulevard, sie müssen freilich erst einmal eine weitere Durststrecke überwinden. Nachdem der Wall nach dem Großbrand monatelang komplett gesperrt war, steht das jetzt wieder bevor. Zwar für eine nicht ganz so lange Zeit, wesentlich sind die Einschränkungen aber trotzdem. "Wir haben bei unseren Planungen sowohl die Verkehrsflüsse in der City als auch die Bedürfnisse der benachbarten Geschäfte berücksichtigt und wollen die Zeiträume für Einschränkungen möglichst kurz halten", sagt Marco Bremermann, Geschäftsführer der Müller & Bremermann GmbH. Ganz vermeiden ließen sich Sperrungen bei einem solch komplexen Bauvorhaben jedoch nicht. "Hier setzen wir auf das Verständnis aller Beteiligten", so der Unternehmer.
Straße bis Herbst gesperrt
Auf zwei Spuren befahrbar wird der Wall erst wieder im Herbst sein, bestätigt die Verkehrsbehörde. Gesperrt sind dann nur noch der Gehweg vor der Baustelle und der Parkstreifen. Die Herdentorswallstraße auf der Rückseite des Grundstücks bleibt für die gesamte Bauzeit dicht. Das ist heute schon so, seitdem es damals gebrannt hat. Auf der schmalen Straße war vorher nicht viel Verkehr unterwegs.
Der Abriss wird kniffelig. Schon deshalb, weil die Nachbargebäude statisch abgesichert werden müssen. Im Ganzen eine technische und logistische Herausforderung, wie der Eigentümer betont. "Der Abriss und die Erstellung der Baugrube für den Neubau müssen auf kleinstem Raum erfolgen und bedürfen einer detaillierten Planung." Dazu gehöre das Unterfangen der angrenzenden Häuser.
Eine Baustelle, die wegen dieser Schwierigkeiten ein Hingucker werden könnte. Dann sind es nicht mehr die Brandruinen, die bei den Spaziergängern Aufsehen erregen, sondern komplizierte technische Vorgänge. Das fertige Haus wird annähernd 42 Meter breit und 30 Meter hoch sein. Für die Fassade planen die Architekten mit Oberkirchener Sandstein. Das Dach wird mit vorbewittertem Zinn bedeckt. Die Fensterrahmen bekommen einen Bronzeton. Der Gedanke dahinter ist, dass das, was neu ist, schon ein bisschen alt und allemal gediegen aussehen soll.